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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Nasenbein gab nach, und Xavius fühlte warme Nässe an den Fingern.
    Er fiel, und diesmal ließ er sich fallen, dachte dabei: Ich habe zwei Soldaten außer Gefecht gesetzt, ich, der Mann der Worte!
    Er bekam eine Faust in den Nacken, ein Schlag, der ihn belehrte und ihm mitteilte: So leicht besiegt man keinen Soldaten des Enduriums. Schwer prallte er auf den Boden und wollte sofort wieder aufspringen, aber Blei steckte ihm plötzlich in den Knochen, und die Muskeln schienen taub zu sein.
    Etwas Zorniges fauchte über ihn hinweg, ein weißer Blitz, verbrannte das blutige Gesicht des Soldaten, der mit der einen Hand zu einem zweiten Schlag ausholte und sich anschickte, mit der anderen die Waffe zu ziehen. Xavius sah, wie der Mann den Mund öffnete, vielleicht zu einem Schrei, aber er brachte keinen Ton hervor und sank zur Seite. Der Blitz – die Entladung eines auf tödliche Emissionen eingestellten Pulsers – verbrannte die gebrochene Nase, verkohlte die Wangen, verdampfte die Augen, verwandelte das Haar in Asche … und durchschlug anschließend die transparente Trennwand zwischen Passagierabteil und Kanzel des Springers.
    Ein großer schwarzer Fleck bildete sich am Nacken des Piloten, und der Oberkörper neigte sich nach vorn, den Kontrollen entgegen.
    Von den Gravitatoren kam ein Geräusch, das nach einem Jaulen klang. Stimmen ertönten plötzlich, als Xavius auf die Beine zu kommen versuchte, er hörte Schreie, es polterte und zischte – der Pulser entlud sich erneut, offenbar noch immer auf tödliche Strahlung justiert, denn Xavius spürte, wie etwas Heißes unangenehm nah an ihm vorbeizischte.
    Der Springer kippte. Einfache chemische Manovratoren feuerten – ihr Fauchen war noch lauter als das des Pulsers, den Xavius für einen Moment in Lauranias Hand sah –, als die Sicherheitsautomatik ein Notfallprogramm startete. Der Pilot konnte nichts mehr tun; er war über den Kontrollen zusammengesunken und rührte sich nicht.
    Wir stürzen ab, sagte der Chronass.
    Irgendwann gelang es Xavius, trotz des schiefen Bodens aufzustehen. Er stützte sich an der Wand ab, sah die beiden Soldaten am Boden liegen, einer tot, der andere vielleicht nur bewusstlos, drehte sich um und …
    … sah eine Faust kommen, dahinter das wütende Gesicht eines Mannes, der zum Protektor von Bluestone aufgestiegen war.
    »Sie verdammter …«
    Xavius versuchte auszuweichen, aber er war nicht schnell genug. Die Faust traf ihn nicht im Gesicht, sondern an der Schläfe, schickte ihn zurück auf den schiefen Boden und bescherte ihm neue Benommenheit. Weiter hinten zischte der Pulser – ein Zischen, kein Fauchen mehr; vielleicht war die Waffe anders justiert worden –, und dann schneite es plötzlich.
    Weißes Wogen füllte das Passagierabteil des Springers, der nicht mehr aufstieg, sondern mit dem Bug voran der Welt entgegenstürzte, die er vor wenigen Minuten verlassen hatte. Er war nicht kalt, dieser Schnee, sondern lauwarm, und er schmolz nicht einmal dann, wenn er warme Haut berührte. Xavius schnappte nach Luft, und mit der Luft drang ihm die weiße Substanz in Mund und Nase.
    Sicherheitsschaum, sagte der Chronass. Dieser Springer ist ein altes Modell, noch nicht mit Prallfeldern ausgestattet, die bei einem Absturz schützen. Von einer KI, die alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um einen Absturz zu verhindern, ganz zu schweigen. Wehr dich nicht gegen den Schaum. Atme ihn tief ein, das macht es leichter. Keine Angst, du erstickst nicht. Die Lunge kann dem Schaum genug Sauerstoff entnehmen.
    Die Welt verwandelte sich in feuchtes, flaumiges Weiß, in ein warmes Polster, das ihn von allen Seiten umgab. Er fühlte Arme und Beine nicht mehr und fragte sich, ob es an dem Sicherheitsschaum lag oder an Vandovers Schlag.
    Dann schwanden ihm die Sinne.
    33
    Xavius erwachte vom eigenen Husten. Er hustete so heftig, dass ihm Tränen in die Augen quollen und er zu würgen begann. Er erbrach sich nicht, aber er spuckte Reste des Schaums, klebrigen Schleim aus Speichel und schockabsorbierenden Großmolekülen. Erst nach einer Weile merkte er, dass ihm jemand den Kopf hielt. Laurania.
    »Es geht gleich vorbei«, sagte sie. »Das Aufwachen ist ziemlich mies, aber wenigstens hat uns der Schaum am Leben erhalten.«
    Sie hielt nicht mehr die Waffe, die er ihr zugeworfen hatte, stellte Xavius besorgt fest und setzte sich auf. Alles glänzte feucht im Licht der Notbeleuchtung, die in den Ecken genug Platz für Schatten ließ. Der Springer lag auf der Seite

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