Der letzte Regent: Roman (German Edition)
Von einer Überwachungs-KI aufbereitete und verifizierte Bilder sind beigefügt, und eins zeigt diese Szene …
Xavius betrachtete das Bild mit dem inneren Auge, während ihn die zwei Meter entfernt sitzende Laurania beobachtete. Dort war er, der Regent; er wollte gerade aufstehen und hatte sich bereits halb umgedreht. Mit der Schnelligkeit eines Mortus hatte er reagiert, aber diesmal war er nicht schnell genug. Der Strahl eines Pulsers traf ihn, und die tödliche Energie verbrannte den ganzen Körper, ließ kaum mehr übrig als den Kopf. Und hier war er, Xavis Xavius, mit einem Phasenmodifikator in der einen und dem Pulser in der anderen.
Jetzt!, rief der Chronass. Du musst jetzt sofort handeln! Sonst bist du in fünf Sekunden verhaftet!
Die Zeit schien stillzustehen, als sich Xavius an seinen Instruktor Pion M Paulus erinnerte. Ich darf kein Soldat werden, hatte er, der junge Xavius, damals vor dem Mnemonischen Institut in Ibbemma auf Tibetian gesagt. Ich habe im Traumsaal, als wir die Aufgaben erhielten, davon geträumt, Soldat zu sein, ich habe es mir ganz fest vorgenommen, aber etwas ist schiefgegangen. Der geduldige Paulus hatte ihm die Zweige gezeigt – ein einzelner brach schnell, aber zusammen waren sie stark – und ihn auf den Weg des Chronisten gebracht. Jahrzehnte später, bei Titus M Izzad, als er an der Biografie des Generals arbeitete, hatte sich Xavius erneut gewünscht, Soldat zu sein, wie die anderen tapfer in den Kampf gegen die Ayunn zu ziehen. Izzad hatte ihm die graue, tote Hand auf die Schulter gelegt und ähnliche Worte an ihn gerichtet wie damals Paulus: Wir sind das Endurium. Wir kämpfen alle, jeder auf seine Art, mit Waffen oder mit Worten.
Aber vielleicht … konnte er dieses eine Mal ein Soldat sein, für wenige Sekunden, die den Ausschlag gaben, die einen Unterschied bewirkten.
Ein kleiner Zufall kam ihm zu Hilfe, eine geringfügige energetische Fluktuation in den Gravitatoren oder vielleicht eine atmosphärische Turbulenz, die nicht ganz von den Stabilisatoren und Kompensatoren ausgeglichen werden konnte. Der Springer schwankte.
Und plötzlich war ihm klar, wie er vorgehen musste. Es war die einzige Chance, und der Chronass hatte recht, er musste sie sofort nutzen, denn die Verblüffung in Vandovers Gesicht verwandelte sich bereits in Empörung und Zorn. Gleich würde er den Soldaten befehlen, den Chronisten Xavis V Xavius als Mörder des Regenten zu verhaften.
Xavius taumelte. Er gab vor, das Gleichgewicht zu verlieren, wankte dorthin, wo Laurania saß, die ihn noch immer aufmerksam beobachtete, stützte sich an der Armlehne ab und berührte dabei den Arm der jungen Frau. Der physische Kontakt dauerte weniger als eine Sekunde, aber er genügte, um fast hunderttausend Mikromaschinen in Lauranias Körper zu transferieren, mit dem Auftrag, in die Spange des Demobilisierers einzudringen und ihn lahmzulegen. Gleichzeitig drehte er den Kopf, damit nur Laurania sein Gesicht sehen konnte, und formte mit den Lippen ein »Helfen Sie mir«. Er rief die Worte nicht, denn das hätte sofort die Soldaten aktiv werden lassen, und auf diese Weise gewann er zwei oder drei Sekunden, genau die Zeit, die er brauchte, um sich einem von ihnen zu nähern, scheinbar noch immer um sein Gleichgewicht ringend.
»Er hat es getan!«, entfuhr es Vandover rechts hinter ihm. » Er hat den Regenten umgebracht!«
Soldat sein, einmal, sich für wenige Sekunden den Traum des Jungen erfüllen, der er einst gewesen war. Obwohl er heute auch die vielen Schattenseiten jenes Traums kannte; in den Jahren bei Izzad hatte er sie oft gesehen. Aber hier und jetzt spielte das keine Rolle. Xavis V Xavius, erster Chronist des Enduriums, ließ alle Worte fallen und griff nach dem Schwert, das angeblich schwächer war. Es steckte im Halfter des Soldaten, dem er entgegentaumelte und der von Vandovers Worten abgelenkt war. Er reagierte erst, als Xavius ihn fast erreicht hatte, und er rechnete nicht mit einem Angriff. Der Mann hob nur die Arme, um den Chronisten abzufangen … und Xavius riss ihm die Waffe aus dem Halfter.
Er hätte selbst schießen können, aus nächster Nähe, ohne einen Blick auf die Waffe zu werfen und festzustellen, wie sie eingestellt war. Aber er dachte nicht einmal daran, rief »Jetzt!« und warf den Pulser dorthin, wo Laurania aufsprang. Eine halbe Sekunde später duckte er sich, rammte dem gerade entwaffneten Soldaten das Knie in den Bauch und schmetterte dem anderen die Faust ins Gesicht. Das
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