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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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einige Meter entfernt über dem Fluss, unerreichbar für Wellen und Gischt, hatte alles beobachtet, alles gesehen. Seine Signale berichteten: Er hat erneut getötet, der Chronist und Mörder. Er hat nicht nur den Regenten umgebracht, sondern auch Jarqez Vandover, den Generalkonsul und Protektor von Bluestone.
    Die Waffe schwang herum.
    Der Lokalisator war smart genug, die Bedrohung zu erkennen. Er wich aus, sank und stieg sofort wieder auf, flog in Kurven, der Kurs von einem Zufallsgenerator bestimmt. Xavius schoss, aber der Blitz fauchte an dem kleinen Maschinenwesen vorbei.
    So werden wir im Mesh des Enduriums erscheinen, sagte der Chronass bitter. Skrupellos und schießwütig.
    »Ich hatte keine Wahl!«, rief Xavius. »Hörst du? Ich hatte keine Wahl!«
    Skrupellos, schießwütig und auch dumm, kommentierte der Chronass. Hast du vergessen, was wir bei General Izzad und seinen Soldaten gelernt haben?
    Xavius’ Schwarm funktionierte nicht so gut wie früher, aber er funktionierte gut genug. Er überließ die motorische Kontrolle seiner Hand den Mikromaschinen und beobachtete, wie sie den Bewegungen des Lokalisators folgte. Wieder drückte der Zeigefinger auf den Auslöser, und diesmal verschwand das Maschinenwesen in einer kleinen Funkenwolke.
    »Sie ist tot.« Laurania war zu Pribylla geklettert und hielt ihren Kopf in beiden Händen. »Er hat ihr den Schädel zertrümmert.«
    Xavius schnappte nach Luft. »Der Lokalisator hat bestimmt Bericht erstattet. Soldaten des Enduriums sind vermutlich schon hierher unterwegs.« Von den Waldrändern, die wie dunkle Mauern in der Nacht aufragten, kam etwas geflogen, aber was auch immer es war, es fiel ins Wasser. »Und der Wald spürt unsere Präsenz. Wir müssen weg von hier.« Er griff nach dem Coder und steckte ihn ein. Den Navigator reichte er Laurania. »Können Sie was damit anfangen?« Sie ließ Pribyllas Kopf sinken und nahm das Gerät entgegen.
    »Ich denke schon.« Sie betätigte die Kontrollen, und der kleine Bildschirm wurde hell.
    Xavius betastete sich. Ihm tat noch immer alles weh, aber er schien sich nichts gebrochen zu haben. »Sind Sie verletzt, Laura?«
    Sie sah vom Navigationsgerät auf. »Ich glaube nicht.«
    Er deutete auf das Holz zwischen den Felsen; ein Faserstrang-Bündel gehörte zum Treibgut. »Schwimmen kommt nicht infrage. Wir binden die Äste und Zweige zu einem Floß zusammen.«
    Laurania warf einen skeptischen Blick auf die Stromschnellen, widersprach aber nicht und half Xavius dabei, Faserstränge aus dem Bündel zu lösen und einigermaßen gut erhaltenes Holz mit ihnen zusammenzubinden. Als Floß gab es nicht viel her, aber mit etwas Glück würde es sie über Wasser halten.
    »Wie weit ist es von hier aus zur Minerva-Basis?«, fragte Xavius und zog einen Knoten fest.
    Laurania betätigte die Kontrollen des Navigators und sah aufs Display. »Etwa fünfzig Kilometer.«
    »Was?« Xavius hob den Kopf. »Und die Kilometer durch den Wald? Wir müssten dem Stützpunkt näher sein!«
    »Pribylla kannte sich besser damit aus.« Laurania steckte das Gerät ein und half Xavius bei den Fasersträngen. »Sie hatte die Koordinaten im Kopf. Uns bleibt ohnehin nur der Fluss. Zurück in den Wald können wir nicht.«
    Wieder rauschte etwas aus der Dunkelheit heran, schnell genug, um nicht vor den Felsen mit dem Treibgut ins Wasser zu fallen. Aus dem Augenwinkel sah Xavius eine Mischung aus Vogel und Schlange, mit ausgebreiteten ledrigen Flügeln und langem Schnabel. Instinktiv duckte er sich und zog Laurania nach unten. Die Kreatur krächzte enttäuscht, segelte über sie hinweg, flog dicht über den Wellen eine Kurve …
    Etwas Silbriges kam aus dem Wasser, und für einen Moment sah Xavius im Licht der Sterne Zähne, dünn und spitz wie Nadeln. Sie bohrten sich in einen Flügel des Wesens, und eine halbe Sekunde später waren Fisch und Vogelschlange in den Fluten verschwunden.
    Selbst wenn Vandover mit einem Arm schwimmen kann, dachte Xavius, als er den letzten Faserstrang verknotete, dürfte inzwischen von ihm nicht mehr viel übrig sein.
    Denk an dich selbst, ermahnte ihn der Chronass. Zerbrich dir nicht den Kopf über Leute wie Vandover .
    Wir reden hier über einen Konsul des Enduriums, dachte Xavius, während er das improvisierte Floß zusammen mit Laurania von dem Felsen, auf dem es ruhte, ins brodelnde Wasser bugsierte. Und überhaupt, etwas Hilfe von dir bei der Gedankenarbeit wäre sehr willkommen.
    Ich denke nach, Xavius, die ganze Zeit über,

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