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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Kampfeswillen schmiedete. Er machte sich zum Sprachrohr der Wahrheit und half auf seine Weise, Stärke und Stabilität des Enduriums zu bewahren. Aber wenn er einst der Wahrheit gedient hatte, so wurde er jetzt zum Opfer von Lügen, und immer öfter fragte er sich, ob sich das hinter der vermeintlichen Wahrheit verborgen hatte: Lügen.
    Ich darf nicht zerbrechen, dachte er in diesem anderen Mahlstrom, in diesem Strudel aus Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Ich bin ein Zweig von vielen, und wenn ich zerbreche, zerbrechen vielleicht auch andere.
    »Null«, sagte eine vertraute Stimme, und was ihn umfing, ein Durcheinander aus Bildern und Teilen von Bildern, löste sich auf. Xavius fragte sich, ob eine Lüge nun der nächsten wich.
    »Wie kann sie hier sein?«, fragte er. »Müsste sie nicht auf dem Weg ins Endurium sein, an Bord eines Gefangenentransporters?«
    »Sie ist geflohen«, sagte Laurania. »Sie hat sich in die Köpfe der Wächter geschlichen und konnte entkommen.«
    Dort stand sie: die Telepathin Rebecca, so hager und ätherisch schön wie bei ihrer letzten Begegnung. Die Augen erschienen Xavius noch ein bisschen größer, und die Lippen hatten ein noch kräftigeres Rot in einem noch blasseren Gesicht. Er empfing einen seltsamen Eindruck von ihr, und der betraf nicht die Farben, die ein wenig zu intensiv wirkten. Ihre Präsenz reizte auch Ohren, Mund und Hände, und daraus ergab sich ein schriller synästhetischer Gesamteindruck.
    »Mit meiner Wahrnehmung stimmt etwas nicht«, sagte er und hob die Hände zum Kopf. Beides fühlte sich seltsam an, sowohl die Hände als auch der Kopf.
    »Es ist noch mehr betroffen, nicht nur Ihre Wahrnehmung.« Diese Stimme … Sie klang erneut wie eine Melodie, wie leises Glockengeläut. »Wir haben Sie von unseren Psychomechanikern untersuchen lassen. Wir wissen Bescheid.«
    »Sie wissen Bescheid? Dann erklären Sie mir alles. Was ist mit mir los?«
    »Es steckt ein Mörder in Ihnen.«
    Ihm wurde plötzlich übel, und der Inhalt seines Magens ergoss sich aus Mund und Nase.
    »Zweiundzwanzig«, sagte Rebecca. Und irgendwann später sagte sie: »Null.« Es klang wie Gesang. »Haben Sie gehört? Null.«
    »Wo sind wir hier?«, fragte er. Wieder stimmte mit seinen Sinnen etwas nicht, aber er verzichtete auf den Versuch, Ordnung in das Chaos von zusammenhanglosen Eindrücken zu bringen.
    »In einer Basis von Minerva.« Das war Lauranias Stimme. Sie berührte ihn, sie schob ihm etwas in den Mund. Sie fütterte ihn.
    »Nach dem Wald …«
    »Ja.«
    »Nach dem Sturz in den Mahlstrom, in den großen Strudel …«
    »Ja.«
    »Der Luftwagen hat uns durchs Wasser getragen.« Das war aus irgendeinem Grund komisch; Xavius lachte.
    »Das hat er, ja. Es gibt ein ausgedehntes subplanetares Flusssystem auf Bluestone. Ganze Meere erstrecken sich unter der Oberfläche des Planeten.«
    Etwas fiel ihm ein. »Ich habe Rebecca gehört. Wie kann sie hier sein? Müsste sie nicht auf dem Weg ins Endurium sein, an Bord eines Gefangenentransporters?«
    »Sie ist geflohen«, sagte Laurania. »Sie hat sich in die Köpfe der Wächter geschlichen und konnte entkommen.«
    Etwas stimmt nicht, dachte Xavius. Die Mikromaschinen waren noch da, aber vielleicht funktionierten sie nicht richtig, denn der Chronass schwieg.
    »Das habe ich schon einmal gehört«, sagte er. »Diese Worte, sie sind schon einmal gesprochen worden.«
    Das offene Gesicht einer kleinen, zarten Frau erschien vor ihm in dem dunklen Tunnel, durch den er sah. »Beim letzten Mal hast du einen Zusammenbruch erlitten. Rebecca hat dir die Erinnerung daran genommen.«
    Xavius wollte nicht daran denken. Um sich abzulenken, fragte er: »Wie lange sind wir schon hier?«
    »Drei Wochen«, sagte Laurania.
    »Aber … Es bedeutet, das Konklave findet in nur einer Woche statt! Wir können es nicht mehr rechtzeitig zur Erde schaffen.«
    »Vielleicht doch.«
    »Es steckt ein Mörder in Ihnen, Xavis V Xavius«, sagte der Psychomechaniker.
    Xavius musterte den Albino und fragte sich, was seine weißen Augen in ihm gesehen hatten. Lupton hieß der fast zwei Meter große Mann mit dem unnatürlich großen Brustkorb und der Haut, die noch ein wenig heller war als Rebeccas. Er stammte von Durrye, einem Planeten im Schlund, einer düsteren Welt mit wenig Sauerstoff in der Atmosphäre. Seit vier Generationen, so wusste Xavius inzwischen, war Luptons Familie an Durrye angepasst. Ein Abnormer hat das Abnorme in mir gefunden, dachte er und beobachtete, wie

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