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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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woraufhin es sich in glitzernden Staub verwandelte. »… ist natürlich nur eine Metapher.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Du bist in letzter Zeit ziemlich schwer von Begriff«, sagte der Chronass. »Ich habe dich vorbereitet, mit dem Hinweis auf ›neunundvierzig‹. Ich habe uns vorbereitet, unsere Mikromaschinen. Sie halten das Selbst der Telepathin und ihrer Begleiter fest. Wir haben den Spieß umgedreht!«
    Xavius konnte sich nicht freuen. Ganz im Gegenteil. Sorge machte sich in ihm breit. »Und jetzt?«
    »Und jetzt?«, äffte ihn der Chronass nach. » Und jetzt? Wir sind der erste Chronist des Enduriums! Wir müssen Bericht erstatten. Wir nehmen Verbindung mit der Faust des Regenten bei Bluestone auf und …«
    »Hast du nicht zugehört?« Xavius’ Sorge wich Zorn. »Hast du nicht gehört, was Rebecca und die anderen gesagt haben?«
    »Glaubst du ihnen etwa?« Der Chronass kam einen Schritt näher, ein junger, kräftiger Mann, die Augen voller Eifer. »Es ist alles ein Trick!«
    »Nein, ich …«
    »Überlass mir die Kontrolle«, sagte der Chronass plötzlich. »Du bist erschöpft. Du hast viel durchmachen müssen. Überlass mir die Kontrolle. Ich bringe uns hier raus, zurück ins Endurium.«
    Xavius wich langsam zurück und erinnerte sich daran, dass Rebecca es bestätigt hatte: Seine adaptive Schizophrenie war außer Kontrolle geraten. Der Chronass – ein Helfer, der ihm einen Teil der Chronistenarbeit abnehmen sollte – hatte zu viel Autonomie gewonnen, war zu einer eigenständigen Person geworden. Xavius erinnerte sich daran, dass er schon einige Male die Kontrolle übernommen hatte, zumindest teilweise, und jetzt wollte er ganz zum Herrn von Körper und Geist werden.
    »Wir gelten als Mörder des Regenten.« Er wich noch etwas weiter zurück. »Selbst wenn wir Bluestone verlassen könnten … Im Endurium würde man uns sofort verhaften.«
    »Hast du unsere Pflicht vergessen?« Die Stimme des Chronass war jetzt sehr scharf. »Minerva muss ausgelöscht werden. Die Splitter-Menschen kollaborieren mit den Ayunn! Alles andere ist nebensächlich.« Der blaue Mann kniff die Augen zusammen. »Wenn du mir die Kontrolle nicht freiwillig gibst …«
    Xavius stieß gegen einen der beiden Wächter, die Laurania, Rebecca und Lupton begleitet hatten, und er handelte instinktiv, ohne nachzudenken. Er langte nach der Waffe im Halfter, sie schien ihm regelrecht in die Hand zu springen, und einen Augenblick später zeigte der Lauf auf den jungen Mann in Blau.
    Der Chronass lächelte geringschätzig. »Sei nicht dumm, Xavis. Du würdest nicht auf dich selbst schießen.«
    »Glaubst du?«, erwiderte Xavius.
    »Ja.« Der Chronass sprang, die Hände nach vorn gestreckt.
    Xavius schoss.
    Und dann lag der blaue Mann am Boden, auf der Seite, mit einem schwarzen Loch in der Brust. Rauch kräuselte vom verbrannten Fleisch nach oben, und darauf schien der Wind nur gewartet zu haben, denn er fand einen Weg von den Baumwipfeln zum Boden des Waldes, brauste über den Bach, nahm den Rauch und trug ihn fort.
    Das Plätschern des nahen fließenden Wassers wurde leiser, wie von etwas gedämpft. Xavius sah auf den Mann hinab, der er selbst war, ein Teil von ihm, vielleicht sogar der bessere, wichtigere Teil, und er dachte: Hier stehe ich und habe mich selbst erschossen.
    »Ein interessanter Moment«, sagte jemand.
    Die Waffe in seiner Hand blieb auf den Toten gerichtet, als er den Kopf drehte und eine hochgewachsene, sehr schlanke Frau sah, so blass, dass sie man sie von Weitem für eine Mortus halten konnte. Aber diese Frau lebte, sie war eine Vivus und trug eine türkisfarbene Mischung aus Kittel und Gewand.
    »Mir blieb keine Wahl«, sagte Xavius, bevor er Zunge und Lippen im Zaum halten konnte. Aus irgendeinem Grund verlangte es ihn, sich zu rechtfertigen. »Er wollte die Kontrolle übernehmen.«
    »Er ist Sie, Xavius. Sie haben einen Teil von sich getötet, ohne zu zögern.«
    Was geschieht hier?, dachte er und fühlte das Gewicht der Waffe in seiner Hand. Sie war schwer, schien sogar noch schwerer zu werden, und sie fühlte sich sehr real an. Er konnte sie auf Marta richten – diese Frau war eindeutig Marta, kein Zweifel, obwohl sie nicht hierhergehörte – und erneut schießen. Vielleicht konnte er dann den Park erreichen, sich in einen Vogel verwandeln und endlich entkommen.
    Was denke ich da für einen Unsinn?, dachte er.
    »Damit haben Sie sich Raum für eine Entscheidung geschaffen«, sagte Marta. Sie stand neben Rebecca,

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