Der letzte Regent: Roman (German Edition)
Missbilligung in Rebeccas Gesicht erschien.
»Verschwinden Sie aus meinen Gedanken«, krächzte er und fühlte den Brechreiz zurückkehren. Er hatte sich noch immer nicht ganz von der Untersuchung durch die Psychomechaniker erholt.
»Wir wollen Ihnen nur helfen, Chronist«, sagte die Telepathin. »Und Sie brauchen unsere Hilfe.«
Das stimmt, sagte der Chronass.
Freut mich, wieder von dir zu hören, dachte Xavius mit bitterer Ironie. Ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen.
Ich versuche, mich durch Minervas Kommunikationssysteme zu tunneln und den Konnektor zu erreichen, erwiderte der Chronass. Wir müssen wissen, wie die Situation dort draußen beschaffen ist.
Xavius’ Blick ging zu Rebecca. Die kleinen Kristalle in ihrem Haar glitzerten weiß wie Schnee im Licht der Leuchtkörper an der Decke.
Sie hört nicht alles, was wir hier drin sagen, fügte der Chronass hinzu. Aber hüte dich, wenn sie »neunundvierzig« sagt. Das bringt sie hier herein.
Xavius holte tief Luft. Er war der Frage ausgewichen, doch jetzt musste er sie stellen. Er brauchte Gewissheit. »Habe ich Salyard umgebracht? Und den Regenten?«
»Ja«, sagte Lupton mit seinem tiefen Bass. »Und nein.«
Der Drang nach Bewegung wurde übermächtig. Xavius wusste noch immer nicht genau, ob er erneut ein Gefangener von Minerva war, und vielleicht wünschte er sich auch in dieser Hinsicht Gewissheit, als er aufstand und zum Fenster ging. Die beiden bewaffneten Männer an der Tür reagierten nicht, beobachteten ihn nur.
Weiter unten brannten Lampen in der großen Höhle, und es gab kleinere Lichter an den Wänden, wo auf breiten Vorsprüngen Häuser und Hütten aus Fertigteilen errichtet waren, untereinander verbunden durch Stege und Brücken. Weiter hinten donnerte ein Wasserfall aus dunkler Höhe, und seine Fluten sammelten sich unten in einem großen Becken. Von dort aus flossen sie durch eine Rinne und verschwanden in einem breiten Spalt, der für einen Luftwagen gerade genug Platz bot. Xavius’ Erinnerungen an die Reise hierher beschränkten sich auf wenige verschwommene Bilder, oder Fetzen davon. Was er kaum bedauerte, denn er wusste nicht, ob es seine eigenen Erinnerungen waren. Die Frage, auf die es hier letztlich ankam, lautete: Konnte er diesen Leuten vertrauen?
»Du bist benutzt worden«, sagte Laurania. »Und gleich in mehrfacher Hinsicht.«
Sie duzt mich, vielleicht weil ich sie an Mallory erinnere, dachte Xavius, während er den Wasserfall beobachtete und an den Mahlstrom dachte, der sie verschlungen hatte. Genug Stoff für viele Geschichten. Aber er war längst nicht mehr nur Beobachter und Erzähler; die Umstände hatten ihn zu einem Protagonisten des Geschehens gemacht.
Xavius drehte sich um. »Und jetzt wollt ihr mich benutzen.« Laurania hatte es ihm in groben Zügen erklärt, kurz nach der Untersuchung durch die Psychomechaniker. Sich selbst zu vergessen, zu einem anderen zu werden … Es klang nicht sehr verlockend.
»Wir müssen einander vertrauen«, sagte Laurania ruhig.
Da war es wieder, das Wort, der Schlüssel. Vertrauen. Aber Vertrauen erforderte Wahrheit. Wie sollte man vertrauen, wenn es überall nur Lügen gab?
»Vielleicht können Sie uns helfen, Rogge und die anderen zu befreien«, sagte Rebecca mit ihrer Glockenstimme. »Und wir helfen Ihnen, das Konklave zu erreichen, wo in wenigen Tagen ein neuer Regent gewählt wird. Wir geben Ihnen Gelegenheit, Ihre Unschuld zu beweisen und den Schuldigen zu entlarven.«
»Ich bezweifle, dass ich Reisebilanz eins erreicht habe«, sagte Xavius, obwohl er sich an Rebeccas Worten festklammern und hoffen wollte. »Und selbst wenn das der Fall wäre … Die Entfernung ist viel zu groß. Wir sind hier im Magellangraben. Bis zur Erde sind es Tausende von Lichtjahren. Wir können sie nicht in einer Woche erreichen.«
»Doch, das können wir«, sagte Laurania. »Mit dem Changer, den wir von den Ayunn für das Archäta erhalten haben.«
Sie wollen dich zum Komplizen der Ayunn machen, zischte der Chronass.
»Wir haben ihn isoliert, den Mörder in Ihnen«, sagte Lupton. Er holte Luft, und seine Brust blähte sich ballonartig auf.
»Ich möchte ihn sehen«, sagte Xavius. »Zeigen Sie ihn mir.«
»Rebecca?«
»Neunundvierzig«, sang die Telepathin.
Xavius fiel, vielleicht durch neunundvierzig Wirklichkeiten.
39
Der Humanoide stand nackt und geschlechtslos neben dem plätschernden Bach, umgeben von Bäumen, die nicht aus dem Wald von Bluestone stammten. Er war nicht allein.
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