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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Wir wussten, dass alles auf eine große Krise zusteuert, auf eine dritte Inkursion der Ayunn und auf den Versuch des Enduriums, die Bestimmungen des Irdischen Friedens außer Kraft zu setzen und die Macht über den Magellangraben und Schlund an sich zu reißen. Wir brauchten irgendetwas, das uns einen Vorteil gibt.«
    »Haben Sie sich deshalb mit den Ayunn eingelassen?«, fragte Xavius und fühlte, wie sich ein Schatten der alten Empörung in ihm regte. Aber mehr war es nicht, nur ein Schatten.
    »Wir haben uns nicht mit ihnen ›eingelassen‹«, sagte Laurania geduldig. »Wir versuchen, sie zu verstehen. Nun, wir wissen, dass Mallorys Gruppe damals bis zur Stillen Stadt kam, denn von dort erhielten wir eine letzte Meldung.«
    »Wie lautete sie?«, fragte Xavius sofort, und erstaunt nahm er zur Kenntnis, dass nicht er die Frage stellte, sondern der Chronass.
    »Der Zeit- und Ortsangabe folgten die Worte: ›Wir sind dem Geheimnis von ZORN auf der Spur.‹«
    Diesen Begriff habe ich bei meiner Suche in den Datenbanken gefunden, sagte der Chronass fasziniert. In dem Datenkonglomerat, das auch den Hinweis auf die rekursive interstellare Translokation enthielt. Frag sie, was …
    Die geistige Stimme verklang, und Xavius’ Mund bewegte sich. »Was bedeutet ZORN? Was hat es damit auf sich?«
    »Das wissen wir nicht.« Laurania neigte den Kopf ein wenig zur Seite und schien zu lauschen. »Der Begriff steht mit den Geheimnissen des Regenten in Zusammenhang und stammt aus der Zeit des Kollapses.«
    Minerva in der Stillen Stadt, die Geheimnisse in Reichweite, die vier Regenten gehütet hatten, damit das Endurium stark blieb und gegen die Ayunn bestehen konnte. Die Vorstellung bereitete Xavius Unbehagen, was ihn überraschte, denn noch vor kurzer Zeit hätte sie ihn entsetzt.
    »Die Gruppe verschwand?«, fragte er.
    »Ja.«
    Ich könnte versuchen, Nachforschungen anzustellen, sagte der Chronass. Wenn es mir irgendwann gelingt, wieder Kontakt zum Mesh und den militärischen Datenbanken zu bekommen. Vielleicht ist bei den Streitkräften etwas über die Minerva-Leute auf der Erde bekannt.
    »Und Sie haben nichts mehr von Mallory gehört?«
    »Nein.«
    »Sehe ich ihm ähnlich?« Davon hatte Denslow gesprochen, erinnerte sich Xavius. Von einer gewissen Ähnlichkeit.
    Laurania lächelte schief. »Ein bisschen. Der Blick vielleicht. Oder die Art und Weise, wie Sie lächeln, was selten genug geschieht, wie mir scheint. Oder wie Sie sich bewegen.«
    »Haben Sie ihn geliebt?«, fragte Xavius’ Mund. Hör auf, dachte er. Hör auf damit, einfach so meinen Körper zu benutzen. Er gehört mir, nicht dir.
    Er gehört uns beiden.
    Dass mit seiner adaptiven Schizophrenie etwas nicht in Ordnung war, wusste Xavius schon seit einer ganzen Weile, seit der Chronass ihm den Fremden gezeigt hatte, den zwanzig Zentimeter großen geschlechtslosen Humanoiden, der irgendwo in ihm steckte, kein Eindringling in seinem Geist, sondern etwas, das trotz seiner Fremdartigkeit irgendwie dazugehörte. Die Zwiesprache mit sich selbst hatte ihm manchmal geholfen, seine Gedanken zu sortieren und über gewisse Dinge Klarheit zu gewinnen, aber jetzt zeichnete sich eine Gefahr ab. Xavius fürchtete plötzlich, dass ihn der Chronass verdrängen könnte, dass sich der andere Teil seines Selbst nicht mehr mit der Rolle des beobachtenden Assistenten begnügte, sondern vollständige Kontrolle anstrebte. Verwandelte sich die adaptive in eine aggressive Schizophrenie? Wurde aus einem Helfer ein … Gegner?
    Du denkst in letzter Zeit ziemlich viel Unsinn, Xavius, sagte der Chronass in einem mahnenden Ton. Konzentrier dich aufs Wesentliche. Damit ist uns beiden geholfen.
    »Ob ich ihn geliebt habe?«, fragte Laurania. » Natürlich habe ich ihn geliebt. Immerhin war er mein Bruder.«
    Das Rauschen war etwas stärker geworden, und es kam von vorn. Mit Gravitatoren, Manovratoren oder gar Rotationselementen hatte dieses Geräusch nichts zu tun. War es die Stimme des Waldes? Drohte neue Synchronizität?
    »Es tut mit leid«, sagte Xavius nach einigen hilflosen Sekunden.
    »Was tut ihnen leid?« Laurania lauschte erneut und zog dabei die Stirn kraus.
    »Was mit Ihrem Bruder geschehen ist.«
    Sie lächelte schief. »Wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. Vielleicht lebt er noch.«
    Auf der zerstörten Erde?, dachte Xavius skeptisch. In der Stillen Stadt, dem heiligsten und am strengsten bewachten Ort im ganzen Endurium?
    Es piepte in der Nähe.
    Xavius suchte nach dem

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