Der letzte Regent: Roman (German Edition)
und stand auf. »Ich will nicht mehr weg.«
»Sie haben erkannt, dass dies die richtige Welt ist«, sagte Marta.
»Ja, das habe ich.«
»Ihr Trauma ist fast überwunden.«
»Ja.« Xavius sprach noch immer leise und lauschte der eigenen Stimme. Wohliger Frieden erfüllte ihn, aber seine Stimme … Sie klang anders. Es waren seine Zunge und seine Lippen, die sich bewegten, und es war sein Atem, der die Worte schuf, aber trotzdem klang die Stimme nicht ganz wie die eigene. »Es war kein Unfall.«
»Nein, das war es nicht, Xavius. Sie haben etwas getan.«
»Getan, ja.« Er erinnerte sich, obwohl er sich nicht daran erinnern wollte, er sah es plötzlich klar.
»Ich glaube, wir können jetzt zur Kommission gehen, Xavius.«
Er sah Marta an, die blasse Marta mit den seltsamen Augen, wie aus vielen facettenartigen Punkten zusammengesetzt. Wieso ist sie so blass, obwohl draußen die Sonne scheint und sie oft durch den Park geht, mit mir und den anderen Patienten?, fragte er sich. Es war eine graue Blässe, die ihn an etwas erinnerte, und auch die Punkte erinnerten ihn an etwas, an winzige Maschinen, aber das war natürlich Unsinn, denn Maschinen konnten nicht so klein sein, dass so viele von ihnen in ein Auge passten.
»Ich bin schon einmal bei ihr gewesen.«
»Das ist unmöglich, Xavius. Die Kommission hat sich gerade erst versammelt.«
Er erinnerte sich an die herrenlosen Bewegungshelfer im Erdgeschoss, an den mit roten Ziegelsteinen zugemauerten Ausgang und an die Stahlblenden vor den Fenstern. »Ich bin unten gewesen, als sich niemand im Hospital befand, als ich ganz allein war. Die Kommission … Sie wartete im ersten Kellergeschoss auf mich.«
Marta bedachte ihn mit einem sonderbaren Blick und betrachtete dann kurz das Glas. Schließlich sagte sie: »Vielleicht haben Sie es geträumt. Kommen Sie, ich bringe Sie zur Kommission.«
In der Tür des Zimmers, in dem er viele Wochen verbracht hatte, blieb Xavius stehen, etwas schien ihn festzuhalten, keine Hände, sondern geflüsterte Worte. Vielleicht stehe ich hier in einer Tür, die sich im Innern einer Tür befindet, und was sind Türen anderes als Möglichkeiten, Orte und Wege zu Orten zu erreichen? Und warum stehe ich hier?
Warum stehe ich hier?, dachte er und wusste plötzlich, dass die Worte Echos eigener Gedanken waren. Aber er hatte sie nicht hier gedacht, nicht an diesem Ort, sondern an einem ganz anderen, weit entfernt, nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit.
Er schwankte. »Vielleicht«, sagte er langsam und ein wenig unsicher, »bin ich noch nicht ganz gesund.«
Diesmal waren die Flure nicht leer. Auf dem Weg ins Erdgeschoss kamen sie an hellen Fenstern vorbei, die keine Stahlblenden trugen, und sie begegneten anderen Patienten und Ärzten. Xavius erwiderte ihre Grüße, erkannte manche Gesichter – mit einigen dieser Leute hatte er gelegentlich gesprochen, draußen im Park – und versuchte, das Gefühl des Friedens festzuhalten, das ihn in seinem Krankenzimmer wie eine warme Decke umhüllt hatte.
Im Erdgeschoss stand der breite Eingang offen, und Sonnenschein fiel herein, nicht blockiert von Ziegelsteinen so rot wie der See des Parks. Es ging auch nicht die Treppe zum Keller hinab. Stattdessen öffnete Marta eine Tür neben der Rezeption, und von dort führte ein kurzer Flur zu einem großen, lichtdurchfluteten Konferenzzimmer.
Fünf Personen saßen dort an einem Tisch, der einen Halbkreis bildete. Der Mann in der Mitte war fast ebenso blass wie Marta, und als Xavius hereinkam, bemerkte er Linien in seinem Gesicht. Doch mit jedem Schritt zum Tisch wurden sie undeutlicher und verschwanden schließlich ganz.
»Ich glaube, er ist jetzt so weit«, sagte Marta, als sie den Tisch erreichten. Zwei Stühle standen bereit, und nach einem Nicken von Marta nahm Xavius auf einem davon Platz.
Auf der anderen Seite beugte sich der Mann in der Mitte vor. »Marta hat Ihnen bestimmt gesagt, dass wir Ihnen helfen wollen, nicht wahr?«
»Ja, das hat sie.«
»Und wissen Sie auch, warum Sie hier sind?«
»Damit ich bekenne?«
Der Mann sah kurz zur Seite. »So könnte man es nennen. Etwas Schreckliches ist geschehen.«
»Ich weiß.« Das wohlige Gefühl existierte nicht mehr, aber der Frieden hatte Xavius nicht verlassen, und sein Kopf war herrlich klar. Er wollte sprechen, sich von der Last befreien. »Der Regent wurde getötet.«
»Er wurde ermordet«, sagte der Mann.
»Ja.«
»Und wissen Sie auch, wer ihn ermordet hat?«
Xavius holte tief Luft.
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