Der letzte Regent: Roman (German Edition)
entfernt verharrte. Eine Million Zuschauer beobachteten das Geschehen, still hinter einem Dämmfeld, und Milliarden weitere auf viele Lichtjahre entfernten Welten; verschränkte Kommunikationsverbindungen machten es möglich.
Xavius versuchte, sich innerlich auf das vorzubereiten, was ihn jetzt erwartete. Es waren vermutlich die wichtigsten Minuten in seinem Leben.
»Ich bitte Sie alle um Verzeihung, dass ich die Beratungen unterbrochen habe, obwohl das Endurium dringend einen neuen Regenten braucht«, wandte sich Quintus Quiron an die Besucher im Habitat und die Bewohner von hundertzweiundneunzig Welten. »Ich habe zwei gute Nachrichten für Sie alle. Die erste lautet: Der Angriff der Ayunn auf das Tri-Centauri-System ist abgewehrt. Flottenadmiral Aron M Arano hat einen grandiosen Sieg errungen, durch den wir etwas Zeit gewonnen haben.«
Der Pilot betätigte die Kontrollen neben dem Rednerpult, und das akustische Dämmfeld ließ ein dumpfes, vielstimmiges »Gepriesen sei die Faust des Regenten!« passieren.
Quiron hob die Hände. »Und dies ist die zweite gute Nachricht: Der Mann, der das abscheulichste aller Verbrechen verübte, der Mann, der uns den großen Avedo Avedis nahm, der Mann, der damit die dritte Inkursion der Ayunn ermöglichte … Er ist hier. Er steht auf dieser Säule.« Quiron drehte sich um und zeigte auf Xavius. »Dort ist er, der Mörder des Regenten: Xavis V Xavius, der als Chronist des Enduriums unser aller Vertrauen missbrauchte.«
Ein Grollen drang durch die akustischen Barrieren, wie das kehlige Knurren eines zornigen Titanen.
»Ich habe ihn mitgebracht, damit er hier, vor allen Menschen des Enduriums, seine schreckliche Schuld gestehen kann«, fuhr Quintus Quiron fort. Seine Stimme hallte durch den Hauptzylinder des Habitats. »Hier, vor uns allen, soll er Gelegenheit erhalten, Bekenntnis abzulegen.«
Er wich zur Seite und betätigte erneut den Coder. Xavius bekam einen Teil der Kontrolle über seinen Körper zurück und trat langsam zum Pult. Damit wuchs die Distanz zu Laurania, und er hoffte, dass sie nicht zu groß wurde, dass sie laut genug sprechen konnte, damit er sie hörte und ihre Worte ihn erreichten, wenn sie ihn erreichen mussten.
Vor dem Pult blieb er stehen und stellte mit einem Blick auf die Anzeigen fest, dass alle Kommunikationskanäle offen waren. Natürlich waren sie das: Quiron wollte, dass man sein Geständnis überall hörte, auf allen Welten des Enduriums.
Stille breitete sich im Habitat aus, und Xavius stellte sich vor, wie es auch auf fast zweihundert Planeten still wurde. Er fragte sich, wie Quiron es anstellen wollte, welchen Code – wenn es sich um einen Code handelte – er benutzen würde, um den Mörder in ihm zu wecken. Der Augenblick war gekommen; es musste hier geschehen, jetzt.
»Ich bin hier, um den wahren Mörder des Regenten zu entlarven«, sagte Xavius. »Ich …«
Eine Bewegung weckte seine Aufmerksamkeit. Der Säulenpilot und Oratorwächter wandte sich von den Kontrollen ab und kam näher. Er hob die Arme und strich die Kapuze zurück, nahm dann die Maske ab.
Zum Vorschein kam das Gesicht einer Frau, die auffallend blass war und dunkle Augen hatte, mit denen etwas nicht stimmte. Sie bestanden aus vielen einzelnen Punkte, wie Facetten, und Xavius wusste, dass diese Augen groß werden konnten, groß genug, um ihn zu verschlingen.
So wie jetzt.
50
»Es geht mir gut«, sagte Xavius. Draußen schien die Sonne an einem silbernen Himmel, und ein blutroter See glitzerte in einem Licht, das Xavius auch in seinem Innern erreichte. Es wärmte ihn, es leuchtete dunkle Ecken aus und vertrieb alle Schatten des Zweifels, bis nur noch Gewissheit blieb.
Er setzte das Glas auf den Tisch, das er gerade ausgetrunken hatte. Nur einige wenige Tropfen der blauen Flüssigkeit waren übrig geblieben, und sie fingen den Sonnenschein ein, funkelten wie kleine Opale.
»Es freut mich, dass Sie sich erholt haben.« Marta deutete auf das Glas. »Die Medizin hat Ihnen geholfen.«
»Ja.«
»Jetzt sind Sie ganz hier.«
»Ja, das bin ich.« Er schaute nach draußen, ließ den Blick über den roten See und die Bäume mit den blauen Wipfeln streichen. Ein Springhörnchen balancierte auf einem dünnen Ast, der unter seinem Gewicht wippte, und schien sich nicht entscheiden zu können, ob es zum nächsten Baum springen sollte. Schließlich stieß es sich ab und flog, verwandelte sich aber nicht in einen gelben Vogel.
»Ich will nicht mehr fliegen«, murmelte Xavius
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