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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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die Tür, und Xalana Xalanis sagte: »Wir landen gleich, Regent. Die Promotoria der Kathedrale erwartet uns.«
    Die Luft war so kalt, dass Xavius’ Atem kondensierte, und auch der von Laurania. Die Morti atmeten nur, wenn sie sprachen, und selbst dann bildeten sich keine Wolken vor ihrem Mund. Die Sprecherin des Konklaves und Karas M Kalion, der provisorische Vorsitzende des Gremiums, gingen voraus, und Xavius und Laurania folgten ihnen Seite an Seite; die Gardisten bildeten den Abschluss. Hinter ihnen stand der Shuttle, der sie vom Habitat zur Erde gebracht hatte, wie ein klobiger dunkler Käfer in einer dunklen Stadt. Die Jäger der Eskorte schwebten in einer Höhe von mehreren Hundert Metern auf Antigravkissen und waren jetzt Bestandteil des Verteidigungsgürtels, der die Stadt umgab.
    Xavius bemerkte, dass sich Laurania immer wieder umsah, als hoffte sie, ihren Bruder Mallory irgendwo zwischen den alten Gebäuden entdecken zu können, wenn sie nur aufmerksam genug Ausschau hielt. Gleichzeitig warf sie ihm verstohlene Blicke zu, wenn sie sich von ihm unbeobachtet glaubte.
    Vor ihnen ragte ein Bauwerk auf, dass Xalana Xalanis »Kathedrale« genannt hatte: ein etwa zweihundert Meter hoher Buckel, wie der Rücken eines gewaltigen gestrandeten Wals, umgeben von unterschiedlich hohen Türmen. Ein Tor hatte sich geöffnet, ein mehrere Meter großes Portal, und dort stand eine Mortus, die einen bunt bestickten Umhang trug. Wo er ihren Körper unbedeckt ließ, fingen silberne Linien auf ihrer Haut das Licht naher Lampen ein. Sie formten Zahlen, Buchstaben und Symbole, die in Bewegung gerieten, als die Frau sagte: »Ich bin Selena M Seace, Promotoria der Kathedrale. Ich grüße den Regenten.«
    Sie verbeugte sich, ebenso wie die beiden hinter ihr stehenden Assistenten.
    »Ist alles bereit?«, fragte die Konklavesprecherin ohne einen Gruß.
    »Wir haben versucht, die Zeremonie auf das Notwendige zu beschränken, aber …«
    »Es ist bereits genug Zeit vergeudet. Zwei Monate ohne einen Regenten haben die Phalanx an den Rand der Lähmung gebracht. Der Übergang muss sofort stattfinden.«
    »Er hat keine Schulung hinter sich«, sagte die Promotoria, und wieder bewegten sich viele der silbernen Schriftzeichen auf ihrer Haut. »Sein Bewusstsein ist nicht vorbereitet. Es könnte gefährlich werden.«
    Es könnte gefährlich werden. Xavius starrte auf eine Pfütze neben dem Eingang der Kathedrale, ein Überbleibsel des letzten Regens. Es war so kalt, dass sich dort eine dünne Eisschicht gebildet hatte. Plötzlich fröstelte er, und aus dem Frösteln wurde ein Zittern, nicht nur wegen der Kälte.
    »Es würde zu lange dauern«, sagte die Konklavesprecherin streng. Sie deutete zur schwarzen Pyramide im Zentrum der Stadt. »Warum haben Sie uns nicht dort empfangen, wo der Übergang stattfindet?«
    »Er muss wenigstens die Gruft sehen«, erwiderte die Promotoria nicht minder streng. »Er muss die Vergangenheit sehen. Seine Augen müssen betrachten, was wir waren.«
    Sie betraten die Kathedrale. Zuvor setzte Xavius einen Fuß auf das dünne Eis der Pfütze und hörte, wie es unter seinem Gewicht knirschte und brach. Er hatte Angst, dass auch in ihm etwas knirschen und brechen konnte.
    Selena M Seace führte sie – langsam und würdevoll, den Kopf hoch erhoben – durch dunkle Flure und Räume mit Säulen. Ihre beiden Assistenten öffneten die Türen vor ihr und schlossen sie wieder, sobald die ganze Gruppe hindurch war, eilten dann zur nächsten Tür. Überall lag ein dumpfes Brummen in der Luft, aber nirgends erklangen Stimmen. Alles wirkte leer und verlassen.
    Schließlich erreichten sie einen Raum, der anders war als die anderen. Er machte den Eindruck, Teil einer Maschine zu sein, denn Wände und Decke bestanden aus summenden Aggregaten. Auf der einen Seite standen zwei durchsichtige rechteckige Behälter, wie zwei gläserne Sarkophage. Im einen lag ein Mensch, und im anderen ruhten die Reste eines Menschen in Nährgel: Brustkorb, Hals, ein Arm und der Kopf, durch Kabel und Sensorstränge mit den Lebenserhaltungssystemen der »Gruft« verbunden. Hinter den beiden Behältern erhob sich ein mehr als zehn Meter langes Oval, das offenbar aus Synthium bestand.
    Das flackernde Licht eines Blitzes gleißte durch die Fenster, vertrieb die Schatten und tauchte für einen Sekundenbruchteil alles in grelles Weiß. Ein dumpfes Grollen durchdrang die Wände, vermischte sich mit dem Summen der Aggregate.
    Xavius blieb am ersten Sarkophag

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