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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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stehen und blickte auf die Frau hinab, die darin lag. Sie hatte die Augen geschlossen, und das graue Gesicht wies sie als Mortus aus. Neuronale Brücken ragten aus ihrem Kopf und verschwanden im Anschlussblock am oberen Ende des Behälters.
    »Das ist Tabatha M Belote«, sagte die Promotoria. »Sie ist affin und hilft dem Schläfer.«
    »Ich nehme an, damit meinen Sie …« Xavius deutete auf die Reste des Mannes im anderen Sarkophag.
    »Ja. Der Mann heißt Rudolph Allan Zayac und ist mehr als zweitausend Jahre alt. Er stammt noch aus der Zeit vor dem Kollaps. Der Irdische Frieden und die Charta des Enduriums gehen letztendlich auf ihn zurück. Auf ihn und die Sechsundzwanzig, deren Erinnerungen dort weiterleben.« Selena M Seace deutete auf das Oval hinter den beiden Sarkophagen. Ein seltsames Geräusch kam von dem Aggregat, ein leises Knistern, wie von vielen flüsternden Stimmen, untrennbar miteinander verbunden.
    »Die ursprünglichen Sechsundzwanzig?«, fragte Xavius. »Die unsere Familien begründeten? Sie existieren noch?« Plötzlich verstand er, oder glaubte zumindest zu verstehen. »Dies ist der Kern, nicht wahr? Wir sind hier im Zentrum der primären KI der Stillen Stadt und des ganzen Enduriums. Hier beginnt das Mesh.«
    »Hier hat alles begonnen«, sagte die Promotoria. »Und es darf nicht enden.« Sie deutete auf den Schläfer namens Zayac, der damals den Untergang der Erde gesehen hatte, und auf die junge Mortus. Die Statusanzeigen beider Sarkophage zeigten warnende Symbole.
    »Es geht ihnen nicht gut«, sagte Xavius.
    »Sie hüten das größte Geheimnis des Regenten«, erwiderte die Promotoria. »Und sie versuchen, die Phalanx zusammenzuhalten. Beide stehen kurz vor dem geistigen Zusammenbruch. Es hätte längst ein neuer Regent gewählt werden müssen. Die Belastungen für Zayac und Belote sind viel zu groß.«
    »Warum vergeuden wir dann noch Zeit?«, fragte Karas M Kalion.
    »Weil er verstehen muss«, erwiderte Selena Seace. »Weil er nicht aufgeben darf, wie schwer es auch für ihn sein wird. Er trägt die Verantwortung! Auf seinen Schultern – auf seiner Seele – lastet das Gewicht des ganzen Enduriums!« Sie zeigte auf eine Konsole hinter den beiden Sarkophagen. »Legen Sie dort die Hände auf die Interface-Flächen, Regent.«
    Xavius’ Beine bewegten sich wie von allein und trugen ihn zu der Konsole. Laurania blieb in seiner Nähe, obwohl die Konklavesprecherin missbilligend den Kopf schüttelte.
    Dort waren die Sensorflächen, grau wie die Haut der Morti, und hier seine Hände, in denen noch echtes Leben steckte. Er wusste, dass der Übergang in der Pyramide im Zentrum der Stillen Stadt stattfinden würde, aber für einen Moment fragte er sich, ob er hier sterben sollte, weil die Zeit drängte.
    »Nur zu«, sagte die Promotoria. Sie stand plötzlich neben ihm. »Legen Sie die Hände auf das Interface. Und öffnen Sie Ihr Bewusstsein für mich.«
    »Was?« Xavius zog die Hände zurück. »Ich soll schon wieder jemanden in meinen Kopf lassen? Das Chaos da drin ist groß genug, herzlichen Dank!«
    Selena Seace nahm seine Hände und drückte sie sanft, aber bestimmt auf die Sensorflächen. »Ich bin die Tür«, sagte sie, und dabei klang ihre Stimme anders, als hätte sie den Vokalisator gewechselt. Es war eine Stimme, die sich durch die Ohren in den Kopf bohrte, über die Gehirnwindungen kroch und an den Innenseiten des Schädels kratzte. Eine Esper, dachte Xavius. Wie die Frau, die Marta für mich gewesen ist.
    Wieder kam Bewegung in die silbernen Linien, und die von ihnen gebildeten Symbole lösten sich von der grauen Haut der Promotoria. Sie breiteten sich zu einer Wolke aus, die sie beide umgab, dabei immer dichter wurde. Die vielen schwebenden und wirbelnden Zeichen zerbrachen zu silbernem Staub, und aus jedem glitzernden Staubkorn formte sich ein neues Zeichen. Es sind Namen, zog eine Stimme durch seine Gedanken. Es sind die Namen aller Morti, nicht nur hier auf der Erde, sondern auf allen Welten des Enduriums.
    Das Mesh, begriff Xavius. Sie waren direkt mit dem Mesh verbunden. Er konnte die Erde verlassen, wenn er wollte. Er konnte Teile seines Bewusstseins in andere Sonnensysteme schicken, zu anderen Welten, er konnte sie Teil der dortigen lokalen Netze werden lassen. Zuerst glaubte er, einzelne Stimmen im Mesh erkennen und ihnen zuhören zu können, wenn er sich auf sie konzentrierte, doch es wurden immer mehr, und sie wurden immer lauter, zu einem Orkan, der in seinem Kopf heulte und

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