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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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zum Scheitern verurteilt gewesen.
    Er vergewisserte sich, dass die vom PhaMo verursachten Karsow-Emissionen so gering blieben, dass sie nur mithilfe von besonders empfindlichen Sensoren gemessen werden konnten – und wer sollte tief im Innern eines Schlachtschiffes des Enduriums, noch dazu der Zerberus , ausgerechnet nach Karsow-Emissionen suchen, die in Transitfalten versteckte Ayunn-Schiffe verrieten? –, und setzte eine kurze Meldung durch die Phase ab. Bin bei drei.
    Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Kettenbrand initiiert. Eine Minute.
    Der Modifikator brachte ihn weiter. Die in dem Gerät steckende Intelligenz wusste genau, wo sich das Ziel befand, es kannte die ganze Struktur des Schiffes bis in alle Einzelheiten, und es nahm auch Veränderungen in den verschiedenen lokalen Materialgedächtnissen wahr. Er entfernte sich von den Soldaten, Morti und Vivi, glitt durch festes Synthmetall, ohne mehr als einen vagen Widerstand zu spüren, und erreichte einen halbdunklen Raum, in dem jemand saß und ihm den Rücken zukehrte. Es war kaum mehr als eine Silhouette in den Schatten, und es ließen sich keine individuellen Merkmale erkennen. Aber er wusste genau, um wen es sich handelte, denn an diesem Ort konnte sich nur eine Person befinden.
    Der Regent saß dort, wie in einer eigenen Phase, die ihn mit den Schatten verschmelzen ließ, und verbunden mit der nahen Interface-Wand. Seine Gedanken wanderten durch die lokalen Netze der Zerberus , und vielleicht erreichten sie mithilfe spezieller Verschränker das Mesh, damit Er überall im Endurium präsent sein konnte, oder zumindest an seinen wichtigsten Orten.
    Dies war der kritische Moment. Und es musste ein Moment ohne Nachdenken bleiben, selbst wenn er den Phasenmodifikator ausschaltete. Der Plan erforderte seine Rückkehr in die reale Welt, und er durfte sich dabei von nichts ablenken lassen.
    Er war sich der Bedeutung des Augenblicks bewusst, als er den PhaMo ausschaltete, plötzlich wieder Substanz gewann und schoss. Es dauerte nicht mehr als eine halbe Sekunde, aber der Regent reagierte mit der Schnelligkeit eines Mortus. Er war halb aufgestanden und hatte sich halb umgedreht, als ihn der Strahl des Pulsers traf. Die tödliche Energie verbrannte den ganzen Körper und ließ kaum mehr übrig als den Kopf.
    Dann stand er da, in der einen Hand den Phasenmodifikator, in der anderen die Waffe, und sah, dass er seine Aufgabe erfüllt hatte. Doch Zufriedenheit blieb aus. Stattdessen starrte er wie ungläubig auf den Pulser in seiner Hand und die Reste des Mannes, der gerade zum zweiten Mal gestorben war. Er hörte und fühlte den Alarm, der durch die Zerberus ging, er hörte auch die Stimme des Countdowns in seinem Innern und die Warnung vor dem nahen Kettenbrand.
    Jetzt blieb nur noch … Flucht.
    Er schaltete den Modifikator wieder ein, und die verschobene Phase nahm ihm Zweifel und Betroffenheit, trug ihn fort. Hinter ihm fraß sich der Kettenbrand durchs Schiff.
    Kein Trauma durch einen Unfall, nein, obwohl er das gern geglaubt hätte. Es ist vielmehr die Schuld, die auf ihm lastet, so schwer, dass er von ihr zerquetscht werden könnte, wenn er zugibt, was er getan hat. Aber …
    Aber etwas stimmte nicht. Es war ein Gefühl, vage wie ein flüchtiger Schatten, und Xavius versuchte es festzuhalten, mit einem Gedanken oder – besser noch – einer Erinnerung in Verbindung zu bringen. Aber vielleicht wäre das problematisch gewesen, denn er wusste nicht, ob er seinen Erinnerungen trauen konnte.
    War das der Grund, warum ihm die Bäume mit den blauen Wipfeln so seltsam erschienen? Er erinnerte sich an grüne Bäume, aber vielleicht war es eine falsche Erinnerung, so wie …
    Falsche Erinnerungen?
    »Vom Trauma verursacht«, sagte Marta, und erst da merkte Xavius, dass er die Worte laut ausgesprochen hatte. »Sie versuchen, sich mit falschen Erinnerungen zu schützen. Deshalb fällt es Ihnen schwer, dies als Wirklichkeit zu akzeptieren.« Ihre Geste galt nicht nur dem Krankenzimmer, sondern auch der Landschaft unter dem silbernen Himmel draußen.
    Bitte, dachte er. Bitte lass mich ein Vogel sein und einfach wegfliegen.
    »Sie wissen Bescheid?«, fragte er leise.
    Marta beugte sich vor, und ihre Augen mit den vielen halb verborgenen Facetten in den Pupillen – wie kann ein Mensch solche Augen haben?, dachte Xavius – musterten ihn erwartungsvoll. »Worüber soll ich Bescheid wissen?«
    »Über …« Er schloss den Mund – die Lippen weigerten sich, das

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