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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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bewegten sich im Wechselspiel von Licht und Schatten.
    »Wir haben sie«, sagte ein junger Mann und trat/schwebte Xavius entgegen. So sah es aus, wie eine Mischung aus langem Schritt, Sprung und Flug. Es war ein seltsamer junger Mann, fand er, als ihn das perlmuttfarbene Schimmern freigab, als es ihn ausspuckte wie ein Konnektorring seine Last aus transferierten Raumschiffen: die Gliedmaßen so lang und dünn, dass der Eindruck von grotesker Fragilität entstand, der Kopf schmal und nach hinten verlängert, wie eine Sichel, die auf einem dünnen, geschraubten Hals ruhte, die Augen an den Seiten, viel größer als bei einem normalen Menschen. Doch es handelte sich durchaus um einen Menschen, allem Anschein zum Trotz, um einen Abnormen, von den Bioingenieuren der Splitter-Welten für das Leben auf Welten entworfen, auf denen gewöhnliche Menschen nicht überleben konnten. Xavius spürte die samtweichen Saugnäpfe an den zarten Händen des Mannes, als er ihm Laurania aus den Armen nahm. Ich habe sie getragen, dachte Xavius, und staunte darüber, woher er die Kraft genommen hatte, denn er fühlte sich schwach, und in seiner Brust brannte es.
    »Bring sie sofort zum Heiler, Boris«, sagte jemand.
    Weitere Gestalten bewegten sich im Hintergrund, und eine von ihnen kam näher, ein mittelgroßer Mann, um die fünfzig Standardjahre alt, mit einer etwas zu großen Nase, blassen, rauen Wangen und Lippen fast so farblos wie die eines Mortus.
    »Rogge«, brachte Xavius hervor und schwankte. Selbst in der geringen Schwerkraft konnte er sich kaum mehr auf den Beinen halten. »Hektor Rogge.« Diesem Mann gehörte die Stimme, die er mehrmals gehörte hatte und ihm vertraut erschienen war. »Mörder!«
    »Ich?«, fragte Rogge erstaunt. » Sie sind hier der Mörder, Xavis Xavius. Sie haben Salyard umgebracht, einen von uns. Und dafür werden Sie büßen.«
    Hinter Xavius flackerte das von der Tür kommende Licht.
    »Dworkin, Corial, Pribylla … Alle Systeme deaktivieren. Wir ziehen uns hinter die Abschirmung des Depots zurück.«
    Männer und Frauen huschten an Xavius vorbei, und in seinem Zorn – hier stand einer Seiner Mörder! – versuchte er, einen von ihnen aufzuhalten und ihm die Waffe vom Gürtel zu reißen. Er wollte sie nehmen und auf Rogge schießen, ihn für den ungeheuren Frevel bestrafen, den er begangen hatte. Aber er war viel zu langsam; Schutzanzug, Schwäche und das Brennen in seiner Brust behinderten ihn. Jemand schlug seine Hand beiseite und hielt ihn fest.
    »Bring ihn ins Depot, Corial«, sagte Rogge. »Er scheint ebenfalls verletzt zu sein.«
    Der Zorn war ein anderes Feuer, das eine andere Art von Hitze brachte als die Flammen in Xavius’ Brust, ihm sogar ein wenig Kraft gab. Er wand sich hin und her, versuchte nach wie vor, an die Waffe des Mannes zu gelangen, der ihn jetzt zu einer Öffnung in der nächsten dunklen Wand führte, bis noch jemand kam und ihm den Arm mit schmerzhaftem Nachdruck auf den Rücken drehte.
    »Hör auf mit dem Unsinn, oder ich kugele dir den verdammten Arm aus!«, knurrte jemand so dicht an Xavius’ Ohr, dass er den Atem fühlte.
    Wenige Sekunden später, als sie die Öffnung in der Wand passierten und einen großen Raum erreichten, vergaß er seinen Zorn. Hunderte von Geräten und Apparaten, einige von ihnen vielleicht Waffen, ruhten in langen Gerüsten, die Dutzende Meter weit bis zur gegenüberliegenden Wand reichten und fast bis zur zwanzig Meter hohen Decke emporragten. Im Licht frei schwebender autonomer Leuchtkugeln zeigten sich offenbar von Rogges Leuten angebrachte Markierungen, und eine lautete: Synthium Sieben und Dreizehn. Die vielen Hieroglyphen an den Wänden, zu unterschiedlich großen Gruppen angeordnet, boten einen weiteren Hinweis.
    Das »Depot« war eine Schatzkammer der Letzten Alten.
    Es gab noch eine zweite Überraschung, verbunden mit Entsetzen und Ekel, und sie war es vor allem, die Xavius erlahmen und seine Absicht vergessen ließ, den Tod des Regenten sofort zu rächen, hier an diesem seltsamen Ort. Zwischen zwei Gerüsten, von rätselhaften Apparaten umgeben, hockte ein mehrere Meter großes amorphes Geschöpf, das schmatzende Geräusche von sich gab und Laurania fast ganz verschlungen hatte – nur ihr Kopf ragte noch aus dem lippenlosen Maul.

ZORN
    IX
    Er hatte der jungen Toten Tabatha seine Geschichte erzählt, doch jetzt wusste er, dass es Lücken darin gab, wie auch in seinem Wesen, im körperlichen wie im geistigen. Dies war ein klarer Moment, wie

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