Der letzte Regent: Roman (German Edition)
füllen. Er ist davon überfordert. Wir könnten ihn verlieren, nach zweitausend Jahren. Damit geriete die Steuerung des Schreins in Gefahr.«
»Geben Sie ihm mehr Kontrolle, Seace«, sagte der Vorsitzende des Gremiums scharf.
»Um mehr Kontrolle zu haben, müsste er die Geheimnisse des Regenten kennen. Und dadurch würde er zum Regenten.«
»Das Konklave wird sich versammeln und einen neuen Regenten wählen«, sagte Quiron. »Aber die Vorbereitungen dauern noch einige Wochen. Bis dahin muss die Phalanx stabil und das Endurium stark bleiben. Geben Sie dem Schläfer affine Hilfe.«
Die Stimmen waren zu einem Flüstern geworden, und jetzt verloren sie sich in Zayacs Schmerz. Er schrie, aber im Schrein hörte ihn nur das Etwas , und es schrie lauter als er, mit mehr Stimmen, als er zählen konnte.
Perspektiven
22
»Fürchten Sie nicht, dass ich Sie angreifen und versuchen könnte, Ihre Waffe an mich zu bringen?«, fragte Xavius. »Oder dass ich eine günstige Gelegenheit zur Flucht nutze?« Vielleicht sollte ich das tun, dachte er. Vielleicht sollte ich mich auf ihn stürzen, wenn sich mir eine Chance bietet, ihm die Waffe entreißen und zu entkommen versuchen. Immerhin hatte er volle Bewegungsfreiheit; er trug keine Fesseln.
»Wohin sollten Sie hier fliehen?«, erwiderte Hektor Rogge, Koordinator des Magellan’schen Zentralrates, Minerva-Mitglied und Mörder des Regenten. »Nur mit uns zusammen können Sie diesen Ort und diese Zeit verlassen. An Bord unseres Schiffs, durchs sichere Portal.«
Sie hatten mehrere Stunden im Depot verbracht, bis Boris, der offenbar über einschlägige Kenntnisse verfügte, verkündete, dass die noch immer bewusstlose Laurania bewegt werden konnte. Das Wesen, in dem sie stecke, hatte sie nicht verschlungen, um seinen Magen zu füllen. Es war ein »Heiler«, eine von den Bioingenieuren der Splitter-Welten geschaffene Monstrosität, offenbar dazu imstande, die schweren Verletzungen der jungen Frau zu heilen. Xavius begann voller Ekel zu würgen, wenn er sich vorstellte, was im Innern der krötenartigen Kreatur mit Laurania geschah. Auf vier Beinen, die hinteren dick und die vorderen so dünn wie Boris’ Gliedmaßen, folgte der Heiler Rogge und den anderen auf ihrem Weg durch ein unüberschaubares Gewirr aus Zylindern, Röhren, Schächten und Tunneln, über dünne Stege zwischen gewaltigen kegelförmigen Aggregaten und steile Rampen hinauf, die sich in langen Spiralen nach oben wanden und in pechschwarzer Finsternis verschwanden. Bisher hatten sie nur ein einziges Mal die Materialgedächtnisse der Helme aktivieren müssen – Xavius trug einen der Reserve-Schutzanzüge, die den Minerva-Leuten zur Verfügung standen, ausgestattet nur mit den notwendigsten Überlebensmechanismen –, um einen Bereich zu durchqueren, der dem Vakuum des Alls ausgesetzt war. Bei dieser Gelegenheit hatte Xavius beobachtet, wie auch Lauranias Kopf im Innern der Kröte verschwand, die sich in wenigen Sekunden einen dünnen, hornartigen Panzer wachsen ließ, der es ihr erlaubte, den kurzen Aufenthalt im Vakuum zu überleben.
Das Licht ihrer Helmlampen tastete durch die Dunkelheit und erreichte eine Stelle, an der ein massives Zylinderelement einen Teil des Ganges zerschmettert hatte, dessen Verlauf sie seit einigen Minuten folgten. Mehrere unterschiedlich dicke Stangen ragten aus dem Zylinder in den Tunnel hinein und bildeten kleine Brücken über ein großes Loch im Boden. Ein Mensch konnte ohne größere Probleme darüber hinwegklettern, doch der Kröte mangelte es an menschlicher Agilität, und sie warteten, während Boris den Heiler mit der Patientin in seinem Innern durch die schwierige Stelle dirigierte.
»Ehrlich gesagt, es wundert mich, dass Sie keine Fragen stellen«, sagte Rogge.
Dies wäre eine günstige Gelegenheit, dachte Xavius. Dort vorn, die Bruchstelle. Wenn die anderen hinübergeklettert sind, wenn Rogge und ich an die Reihe kommen … Ich könnte ihm die Waffe vom Gürtel reißen, ihm einen Stoß geben und in die Tiefe springen. Bei dieser geringen Gravitation wäre es kein tödlicher Sturz.
Aber: Die Schwerkraft unterlag manchmal seltsamen Veränderungen, verursacht von in der Dunkelheit verborgenen großen, dichten Massen und launischen Kraftfeldern, und es genügte, dass er in der Finsternis mit einem scharfkantigen Trümmerstück kollidierte. Vielleicht wäre es ihm ähnlich ergangen wie Laurania, und letztendlich hatte Rogge recht – wohin sollte er fliehen?
»Fragen wollen Sie
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