Der letzte Single fangt den Mann
er meine Panik vor Dates höchst amüsant.
» Danke.« Ich erwidere sein Grinsen. Vielleicht ist es gar nicht verkehrt, einen männlichen Mitbewohner zu haben. Roberts Handy piept. » Okay, tut mir leid, ich muss los. Lady Caroline ruft. Hier ist der Haustürschlüssel. Ich komme morgen früh um halb sieben. Bist du da?«
» Ja. Ich mache uns Frühstück«, sage ich.
Hurra! Ich hasse es, allein zu frühstücken. Ich stehe auf und schlüpfe in meine Jacke.
» Widersprechen deine ganzen Tipps eigentlich nicht dem Sinn und Zweck von Dates?«, frage ich mich laut, als wir zum Ausgang gehen. » Du weißt schon, um sich näher kennenzulernen und zu sehen, ob man sich sympathisch findet?«
» Sei nicht albern«, entgegnet er. » Der Sinn von Dates besteht darin, Spaß zu haben.«
Während des ganzen Nachhausewegs kreist mir dieser Satz ständig durch den Kopf.
Dates sollen Spaß machen?
Kapitel 7
» Der Appetit auf westliche Marken ist unvermindert hoch, und im Gegensatz zu den Prognosen zu Beginn der Krise blieben die chinesischen Millionäre weitestgehend verschont von der globalen Rezession. Der Gesamtmarkt und das große Kapital werden weiter wachsen…«
Ich räuspere mich. Ich hasse Präsentationen. Immer wenn ich vor all diesen Männern stehe (auch heute sind wieder nur Männer anwesend, abgesehen von mir), denke ich zwangsläufig an ein Erschießungskommando.
Dabei finde ich das Thema– Luxusgüter in China– hoch spannend. Durch dieses und ähnliche Projekte habe ich viel gelernt über die politische und wirtschaftliche Geschichte Chinas, vor allem über die kulturellen Veränderungen in den letzten zwanzig Jahren und darüber, welche Unternehmen Erfolg haben (beziehungsweise Misserfolg) und warum. Aber für die Zuhörer ist es nur eine weitere Präsentation. Basierend darauf werden sie anschließend Aktien kaufen und verkaufen, Empfehlungen aussprechen und Geld gewinnen oder verlieren. Und in ein paar Wochen komme ich wieder und referiere über ein anderes Thema. Ein endloser Kreislauf.
Ich berichte über die neue Generation von chinesischen Millionären, die Klientel, auf die die Luxusmarken zielen müssen. Aus dem Augenwinkel sehe ich einen der Trader, einen jungen Amerikaner, sportlicher Typ, eine SMS schreiben. Ein anderer in der Runde holt sein Handy heraus, liest, wirft einen kurzen Blick auf mich und grinst. Ich gerate ins Stocken. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich die Stelle in meinem Manuskript gefunden habe. Kontrolle behalten, Abigail. Kontrolle. Behalten.
Zum Schluss können Fragen gestellt werden. Einer der älteren Trader stellt eine Frage zu LVMH , und ich doziere ein paar Minuten.
» Louis Vuitton, Hersteller luxuriöser Lederwaren« (aus dem Augenwinkel sehe ich, dass der Amerikaner so tut, als würde er mit einer Peitsche knallen, worauf er und sein Kumpel in sich hineingrinsen) » führt den Aufschwung an. Allein in diesem Jahr eröffnen neue Geschäfte in Peking, Shanghai, Guangdong, Chengdu, Wenzhou und Beihai. Also dort, wo Chinas Millionäre sitzen.«
Mit einem Anflug von Erleichterung, dass ich es hinter mir habe, sehe ich zu dem Kerl mit der Luftpeitsche. Ich kenne sein Gesicht. Er fängt meinen Blick auf und grinst. Ich ignoriere ihn.
Als wir den Raum verlassen, spüre ich, dass mir jemand an den Haaren zupft, und ich drehe mich um. Es ist der Peitschenknaller.
» Ich hätte da noch eine Frage zu der Leder- und Sattelsparte von Louis Vuitton«, sagt er grinsend. » Die Nachfrage nach Zaumzeug und Peitschen ist also unvermindert hoch?«
Ich höre, dass seine Kollegen hinter ihm platzen vor unterdrücktem Lachen.
Plötzlich bin ich nicht mehr verunsichert. Nur verärgert.
» Ja«, sage ich. » Aber wenn Sie etwas Ausgefallenes suchen, investieren Sie in Beate-Uhse-Aktien. Das ist wohl eher Ihre Liga.«
Was für ein Flachwichser. Wenigstens habe ich meine Präsentation mit nur einem Fehler hinbekommen, denke ich, als ich den Aufzug betrete. Heute kam es mir einfacher vor als sonst… ein Nebeneffekt der » Tu-so-als-ob«-Strategie in Sachen Selbstbewusstsein, nehme ich an. Danke, Robert.
Als ich an meinen Schreibtisch zurückkehre, ist Alistair damit beschäftigt, Charlotte zu trösten. Sie– was?– weint.
» Alles okay?«, frage ich überflüssigerweise.
Charlotte hebt den Kopf, und ihr Gesicht ist rot und geschwollen, während sie schluckaufartig schluchzt. Himmel. Charlotte hat noch nie irgendwelche Gefühle gezeigt in der Zeit, die ich sie kenne.
»
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