Der letzte Single fangt den Mann
habe es erst letztes Wochenende gekauft, als ich mit Plum unterwegs war. Sie schlug mir vor, es zu meinem Date anzuziehen. Es ist das perfekte Top, taubengrau, asymmetrisch und von Cos, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mir wünsche, ich hätte es auch in Schwarz gekauft, vielleicht gehe ich… o shit. Zurück in den Albtraum.
» Okay. Sorry. Geh nach Hause und ruf mich an. Ich werde dich in der Bank krankmelden«, sagt sie.
» Gott, ich liebe dich«, flüstere ich.
Wir beenden das Gespräch, und ich öffne leise die Schlafzimmertür. Ich krieche auf allen vieren hinaus, den Riemen meiner Handtasche fest zwischen den Zähnen. Röhrenjeans hat sich nicht einmal gerührt. Ich frage mich, warum er nicht zur Arbeit muss. Was macht er noch gleich? Ich versuche, mich zu erinnern. Ach ja, er arbeitet für eine Filmproduktionsfirma. Sein Arbeitstag beginnt nicht vor zehn Uhr.
Ich finde mich in einem Wohnzimmer wieder und entdecke die Überreste vom Abend zuvor: ein überquellender Aschenbecher, leere Weinflaschen und– o Gott, bitte nicht– eine Flasche Whisky. Meine Jacke liegt über der Couch, dort finde ich auch meine YSL -bei-Zara-Designerschuhe. Ich ziehe sie an, und beim Schließen der lächerlich schmalen Riemchen breche ich mir fast die Finger. Dann richte mich zum ersten Mal an diesem Tag auf. Ich werde fast ohnmächtig von dem plötzlichen Blut-/Sauerstoff-/Alkoholsturz in meinem Kopf. Mir ist heiß und kalt, übel und schwummerig, und ich versuche nicht über die Tatsache nachzudenken, dass ich wahrscheinlich, ja, vielleicht, ja, womöglich, so gut wie sicher Sex mit Röhrenjeans letzte Nacht hatte.
Das gebrauchte Kondom neben dem Bett hat es mir verraten. Ein dreifaches Hoch auf Safer Sex.
Ich ziehe die Wohnungstür so leise wie möglich hinter mir zu, und während ich hilflos in das graue Tageslicht blinzle, das in meinen Augen brennt, halte ich nach einem Anhaltspunkt Ausschau, um herauszufinden, wo ich bin. Denk nach, Abigail, denk nach…
Ich eile ans Ende der Straße, um das Straßenschild zu lesen. Dort steht » W10«. Wo ist das? North Kensington? Ladbroke Grove? Ich habe keinen blassen Schimmer! Es ist so verdammt ruhig hier. Kein Verkehrslärm, nichts… Ich gehe so schnell wie möglich weiter bis zur nächsten Querstraße und schaue nach rechts und links. In welche Richtung soll ich gehen? Links scheint mehr los zu sein, also setze ich mich rasch wieder in Bewegung und schwöre mir im Stillen, nie wieder ohne Sonnenbrille und Paracetamol aus dem Haus zu gehen. Und nicht ohne eigenen Wagen mit Chauffeur.
Ich erreiche das Ende der Querstraße, wo ich mich immer wieder auf einem Bein wie eine unter Alkoholeinfluss stehende Korbballspielerin um die eigene Achse drehe, während ich verzweifelt Ausschau nach einem Straßenschild halte. Chamberlayne Road, das klingt vertraut, oder? Kensal Rise? Irgendwie schon mal gehört.
Wo zum Teufel finde ich hier ein Taxi? Bitte, lieber Gott, bitte, schick mir ein Taxi. Endlich taucht eins auf, und ich rufe erleichtert » Primrose Hill«, während ich einsteige. Dann sacke ich auf dem Rücksitz zusammen und stoße ein tiefes, zitterndes Seufzen aus.
Was zum Henker ist letzte Nacht passiert?
Die erste Stunde oder so war gut. Wir trafen uns im Negozio Classico, lieferten uns einen unterhaltsamen, spritzigen, geistreichen Schlagabtausch, der einerseits Spaß machte, andererseits anstrengend war und außerdem extrem nervenaufreibend, und teilten uns zwei Flaschen Wein. Ich hatte etwas schlechte Laune wegen meines miesen Arbeitstags, weshalb ich schneller trank als sonst. (Zu passiv, dass ich nicht lache, fuhr mir durch den Kopf, als ich flirtend eine zweite Flasche Wein bei dem Kellner bestellte– das weiß ich noch.)
Dann zogen wir weiter in ein Restaurant namens Taqueria, wo ich überglücklich feststellte, dass es dort Margaritas gab und andere überzeugende Vertreter der Tex-Mex-Fraktion. Robert hat recht, dachte ich glücklich, während der Kellner mir meine zerpflückten Tacos wegnahm und den vierten Cocktail auf Tequila-Basis servierte, Dates machen Spaß.
Röhrenjeans war schlagfertig, zum Flirten aufgelegt und sehr selbstsicher. Ich lachte über seine ganzen Sprüche und lachte sogar noch lauter über meine eigenen Sprüche, und nach ein paar Gläsern fiel es mir leicht, die coole Distanzierte zu mimen. Bis zu dem Zeitpunkt nach dem Abendessen, als er anfing, mit meinen Händen zu spielen. Er zirkelte seine Finger um meine Finger, fuhr
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