Der letzte Single fangt den Mann
mit dem Daumen meine Handlinien entlang, lächelte mich an, sah mir tief in die Augen… Es war total irritierend. Ich flüchtete voller Panik auf die Toilette und rief Robert an.
» Was soll ich machen, was soll ich machen?«, stammelte ich.
» Was ist los?«, fragte Robert.
» Er sieht mir sehr oft in die Augen, und er spielt an meinen Händen herum. Es ist so eine Art, keine Ahnung, Verführungsspielchen. Es fällt mir sehr schwer, cool und distanziert zu bleiben, wenn ich am liebsten weglaufen würde…«
» Du kannst jederzeit weglaufen.«
» Nein, ich bleibe«, sagte ich tapfer. » Ich werde ein richtiges Date haben, und wenn es mich umbringt.«
» Wenn dir das Verführungsspielchen nicht gefällt, zieh einfach deine Hände weg. Du hast die absolute Kontrolle.« Ich stoße ein spöttisches Schnauben aus. » Vielleicht solltest du dir einen Hochprozentigen gönnen. Flüssiges Selbstvertrauen.«
Superscheißidee, Robert, denke ich nun. Das Taxi ist fast da, und wir fahren an vertrauten Geschäften vorbei. Brauche ich etwas? Denn ich werde hundert pro das Haus nicht mehr verlassen, wenn ich einmal drin bin. Vielleicht verlasse ich es sogar nie wieder. Im Kühlschrank sind mehrere Flaschen Wasser (gegen meine akute Dehydrierung), und außerdem habe ich einen großen Vorrat an Vitaminbrausetabletten, und bitte, lieber Gott, lass die Schmerztabletten nicht alle sein. Die Schokokekse sind aus, aber scheiß drauf, ich kann darauf verzichten.
Alles, was ich tun muss, ist, den restlichen Tag zu überstehen, eine Minute nach der anderen.
Ich lande schließlich in meinem winzigen Badezimmer, halbtot vor Erschöpfung nach der anstrengenden Treppe, und zum zweiten Mal an diesem Tag verschlägt es mir vor Schreck den Atem: Das sorgfältige Make-up vom Vortag erinnert nun an Courtney Love auf Sauftour, und mein ehemals glatter Pony ist ein Rattennest à la Amy Whinehouse. So könnte ich mich für diese Anti-Komasaufen-Anzeige bewerben. Gott! Das sieht mir überhaupt nicht ähnlich. Ich trinke in Gesellschaft, ich trinke gerne, ich bin dann ausgelassen, das ja– aber ich bin keine Komasäuferin… Ich habe keine Lust, mich jetzt um meine Haare zu kümmern. Ich wasche einfach den Rest von mir und mache mir später Gedanken darüber.
Unter der Dusche muss ich plötzlich würgen, und ich stürze zur Toilettenschüssel, wobei ich alles nass mache, um den halb verdauten restlichen Alkohol auszukotzen.
Hallo, Tiefpunkt. So was, dich hier zu sehen!
Irgendwann liege ich endlich bei zugezogenen Vorhängen im Bett, und das Zimmer ist angenehm kühl und dunkel. Mein Herz rast immer noch, und ich keuche leise und atme sehr flach.
Ich hasse Alkohol.
Was ist sonst noch passiert gestern Abend? Wir gingen in einen Pub um die Ecke, an den ich mich nicht mehr richtig erinnern kann, und wir tranken Tequila an der Bar, bevor wir nach unten an eine andere Theke gingen, wo ein DJ auflegte, und ich glaube, dort gab es weitere Tequilas. Ich weiß noch, dass ich den Bauch eines Dicken gerieben habe, damit es mir Glück bringt. Und auf der Toilette habe ich eine Frau geschminkt und ihr demonstriert, wie wichtig Abdeckcreme ist. Ich glaube, ich habe später zu Marvin Gaye getanzt, ja, das habe ich, und, o Gott, ich glaube, ich habe einen Spagat auf der Tanzfläche gemacht.
Warum nur, o Herr, warum?
Wir haben definitiv herumgeknutscht in der letzten Bar, und dann haben wir im Taxi weitergeknutscht, und ich glaube, ich saß auf seinem Schoß, aber ich kann mich nicht richtig erinnern, und, o Gott, ich bin eine Schlampe, und dann waren wir bei ihm und tranken Alkohol (noch mehr?!), und das war’s dann. Blackout noch vor dem nicht jugendfreien Teil.
Ich versuche, die erste Flasche Wasser zu trinken.
Scheiße, das ist anstrengend.
Ich sehne mich danach, dass jemand mich in den Arm nimmt. Ich stoße ein leises Wimmern aus, dann bin ich wieder still. Selbst das Wimmern ist anstrengend.
Mein Handy klingelt. Es ist wieder Plum. Ich brauche ziemlich lange, um es in die Hand zu nehmen, auf die richtige Taste zu drücken und es an mein Ohr zu halten.
» Fuck«, sage ich wieder.
» Alles okay? Bist du zu Hause?«
» Ja«, sage ich. » Hast du in der Bank angerufen?«
» Du hast eine Mandelentzündung und musst die nächsten Tage das Bett hüten«, teilt sie mir mit.
» Oh, das ist schön«, flüstere ich. » O Gott, Plum, ich sterbe, scheiße, ich sterbe…«
Plum lacht jetzt offen. Warum ist jemand, der schlimm verkatert ist und es bitter
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