Der letzte Single fangt den Mann
für den Fall, dass trotz Zähneputzen und Zungenreinigung mein Atem immer noch nach Alkohol und/oder Erbrochenem riecht. Dieser Regenschirm kommt mir anormal klein vor.
» Okay, okay. Du bestimmst, einverstanden?«
Mir tut alles weh. Ich glaube, das liegt an den Gewissensbissen und nicht am Kater. Können Sie glauben, dass ich aus einer Bar geworfen wurde, weil ich auf der Toilette herumgeknutscht habe? Außerdem habe ich einen Spagat auf der Tanzfläche gemacht. Oh, der Selbstekel…
Nachdem wir in das Taxi gestiegen sind, schaue ich aus dem Fenster auf das verregnete graue London und seufze laut.
» Soll ich dir eine Geschichte erzählen, damit du dich besser fühlst?«, fragt Robert.
Er hat wieder meine Gedanken gelesen.
» Ja, bitte«, sage ich leise.
» Als ich zweiundzwanzig war, hatte ich heimlich was mit der älteren Schwester von meinem Kumpel. Sie war siebenundzwanzig und hat sich tatsächlich mit mir abgegeben… Egal, jedenfalls war ich damals noch Postgraduierter in Cambridge, was übrigens eine völlige Zeitverschwendung war, solltest du jemals mit dem Gedanken spielen.«
» Tu ich nicht. Aber danke.«
» Also bin ich an einem Wochenende zu ihr nach London, und sie hat mich zu einer Party mitgenommen«, fährt er fort, wobei er » Party« mit der ganzen Begeisterung ausspricht, die er damals wohl empfunden hat.
» Wie aufregend.«
» Ich war extrem nervös und habe eine halbe Flasche Jägermeister geleert, mich nackt ausgezogen, auf ihre Mitbewohnerin gekotzt, wurde dann ohnmächtig am Esszimmertisch mit nichts am Leib außer einem Paar Gummihandschuhe, kam drei Stunden später wieder zu mir, stellte fest, dass die Party immer noch im Gang war, und fragte sie, ob sie mich heiraten will.«
» Wie hat sie reagiert?«, japse ich vor Lachen.
» Sie hat Nein gesagt«, antwortet er und blickt kurz aus dem Fenster, bevor er sich wieder zu mir dreht. » Was keine Überraschung war. Also, breit wie ein Eimer, habe ich mich dann angezogen und bin davongestürmt zum nächsten Bahnhof, wo ich auf dem Bahnsteig übernachtet habe, bei Tagesanbruch in den ersten Zug gestiegen bin, wieder bewusstlos wurde und schließlich in Schottland aufwachte.«
» Ach du lieber Gadget«, sage ich und versuche, nicht zu lachen.
» Wenn du einen Spießrutenlauf für schlimm hältst, dann probier doch mal eine sechsstündige Zugfahrt nach Cambridge aus, nur bekleidet mit einem Polosweatshirt, Boxershorts und Gummihandschuhen.«
Er unterbricht sich und muss selbst lachen.
Unser Taxi hält vor dem Pantechnicon.
» Sich mindestens einmal völlig lächerlich zu machen gehört zu den Schritten ins Erwachsenenleben«, sagt er, als wir den Pub betreten und sofort von der heiter-fröhlichen Geräuschkulisse dort begrüßt werden. » Das Leben geht weiter.«
» Das Leben geht weiter«, stimme ich zu und sehe mich um.
Robert hatte recht damit, mich aus dem Haus zu scheuchen. Die totale Demütigung heute Morgen in Kensal Rise scheint plötzlich eine Ewigkeit her zu sein.
Ich setze mich und blicke mich fröhlich um. In diesem Pub hat man zwangsläufig das Gefühl, dass einem nichts Schlimmes passieren kann. Es ist sauber und warm und urgemütlich. Am liebsten würde ich hier einziehen und unter der Treppe wohnen wie Harry Potter.
» Und, ist die Blondine mit der Melone im Moment deine Hauptfreundin?«, frage ich und drehe mich zu Robert, nachdem er sein Pint bekommen hat und ich meine leckere harmlose Limonade.
» Interessantes Wort. Nein, sie verreist nächste Woche.«
» Du klingst am Boden zerstört. Magst du eigentlich Frauen, Robert?«
» Ich liebe sie sogar!«, ruft er und macht ein gekränktes Gesicht. » Komm mir jetzt nicht mit diesem › Du-bist-sicher-so-ein-Frauenfeind ‹ -Scheiß. Ich liebe es, mit Frauen zu reden, ich liebe ihre Gesellschaft. Es ist nur so, dass ich es vorziehe, diese Gesellschaft auf einer sehr lockeren Basis zu genießen.«
» Die Glücklichen. Warum lädst du Melone nicht ein, uns Gesellschaft zu leisten?«
» Später vielleicht. Was ist mit dir? Willst du Röhrenjeans wiedersehen?«
» O Scheiße, nein. Bloß nicht.« Ich seufze. » Ich schätze, ich musste es einfach hinter mich bringen. Das war der erste Mann seit… du weißt schon… seit Peter.«
Ich mache eine Pause und tue so, als würde ich über die Schulter spucken.
» So ist es recht.«
Ich starre einen Moment stirnrunzelnd ins Leere. Peter. Paulie. Josh aus der Personalabteilung. Röhrenjeans. Gott. Was für ein Chaos
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