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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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die Schritte der Wirtin waren schon verhallt, hörten wir das Geräusch eines im Schloß herumgedrehten Schlüssels, der Türknauf drehte sich, und zwei schmale Hände kamen zum Vorschein und nahmen das Tablett vom Stuhl. Ein Weilchen später wurde das Tablett eilig zurückgestellt, und ich konnte einen Blick in ein dunkles, schönes, entsetztes Gesicht werfen, das zur spaltbreit offenstehenden Tür der Abstellkammer hinüberspähte. Dann schlug die Tür zu, wieder drehte sich der Schlüssel, danach herrschte Stille. Holmes zog mich am Ärmel, und wir stahlen uns die Treppe hinab.
      »Ich schaue am Abend noch einmal vorbei«, sagte Holmes zu der erwartungsvollen Wirtin. »Ich denke, Watson, wir bereden die Angelegenheit bei uns zu Hause.«
      »Meine Vermutung hat sich, wie Sie sahen, bestätigt«, sagte mein Freund. Er sprach aus den Tiefen seines Lehnsessels. »Die Mieter haben gewechselt. Was ich nicht vorhersah, war, daß wir einer Frau begegnen würden, und keiner gewöhnlichen Frau, Watson.«
      »Sie hat uns gesehen.«
      »Nun, sie sah etwas und fühlte sich alarmiert. Das ist sicher. Im großen und ganzen ist jetzt alles ziemlich klar, oder etwa nicht? Ein Paar sucht Zuflucht in London vor einer fürchterlichen unmittelbaren Gefahr. Der Größe dieser Gefahr entspricht die Strenge, mit der Vorsichtsmaßregeln getroffen und eingehalten werden. Der Mann, der irgend etwas zu erledigen hat, will, daß die Frau so lange in völliger Sicherheit ist. Kein leichtes Problem, aber er hat es originell und so wirksam gelöst, daß nicht einmal die Wirtin, die Essen hinstellt, von der Anwesenheit der Dame weiß. Die Mitteilungen, das hat sich nun erwiesen, wurden in Druckbuchstaben gehalten, weil die Entdeckung verhindert werden sollte, daß eine Frau die Schreiberin ist. Der Mann kann nicht mit ihr in Verbindung treten, ohne die Feinde zu ihr zu führen. Da er sich also mit ihr nicht direkt austauschen kann, hat er zu der Seufzerspalte einer Zeitung Zuflucht genommen. Soweit ist alles klar.«
      »Aber was liegt alledem zugrunde?«
      »Ah ja, Watson, streng sachlich, wie immer! Ja, was liegt alledem zugrunde? Mrs. Warrens Schrul le erhält Gewicht und ein immer düsteres Aussehen, je weiter wir voranschreiten. Nur soviel können wir sagen: Es handelt sich nicht um eine gewöhnliche Flucht aus Liebe. Sie haben das angstgezeichnete Gesicht der Frau gesehen. Wir sind außerdem über einen Angriff auf den Wirt unterrichtet, der mit Gewißheit dem Mieter galt. Die alarmierenden Geschehnisse und das verzweifelte Trachten nach Geheimhaltung bedeuten, daß es um eine Sache auf Tod oder Leben geht. Der Angriff auf Mr. Warren zeigt weiterhin, die Feinde, wer immer sie sein mögen, wissen nicht, daß eine Frau statt eines Mannes dort wohnt. Die Angelegenheit ist sehr seltsam und kompliziert, Watson.«
      »Wie wollen Sie weiterkommen? Was können Sie bei dem Fall gewinnen?«
      »Ja, was? Es ist Kunst um der Kunst willen. Ich nehme an, Sie als Arzt arbeiten auch an Fällen, ohne ans Honorar zu denken?«
      »Zur Weiterbildung, Holmes.«
      »Bildung endet nie, Watson. Das Leben ist eine Folge von Lektionen, und am Schluß steht die größte. Dies ist ein lehrreicher Fall. Er bietet weder Geld noch Ruhm, und doch möchte man ihn sauber zu Ende bringen. Bei Einbruch der Dämmerung dürften wir in unserer Untersuchung ein Stück weitergekommen sein.«
      Als wir zu Mrs. Warrens Haus zurückkehrten, war der trübe Londoner Winterabend in einen dichten grauen Vorhang gehüllt, in eine tote monotone Farbe, die nur von den grellgelben Gevier ten der Fenster und dem Schein der Gaslampen durchbrochen war. Wir spähten aus dem unbeleuchteten Wohnzimmer der Wirtin, und dann sahen wir, wie hoch über der Finsternis ein weiterer matter Schein aufglomm.
      »Jemand bewegt sich durch den Raum«, sagte Holmes im Flüsterton. Er preßte das hagere, eifrige Gesicht gegen die Fensterscheibe. »Ja, ich sehe den Schatten. Da ist er wieder! Er hat eine Kerze in der Hand. Jetzt schaut er herüber. Er will sich vergewissern, ob sie sich am Ausguck befindet. Nun beginnt er mit den Lichtzeichen. Nehmen Sie die Botschaft auch auf, Watson, damit wir uns gegenseitig kontrollieren können. Ein einzelnes Aufleuchten – das ist gewiß ein A. Und jetzt. Wieviel haben Sie gezählt? Zwanzig. Ich ebenfalls. Das müßte T bedeuten. AT – das könnte einen Sinn ergeben! Noch ein T. Das ist sicherlich der Anfang eines neuen Wortes. Nun also

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