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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Erscheinung, seine von Herzen kommende Frömmigkeit und der Umstand, daß er sich hier von einer in der Ausübung seiner missionarischen Pflichten zugezogenen Krankheit erholte, beeindruckten sie tief. Sie hatte Mrs. Shlessinger bei der Pflege des genesenden Heiligen unterstützt. Er verbrachte den Tag, wie es der Geschäftsführer mir beschrieb, auf der Veranda in einem Lehnstuhl, zur Rechten wie zur Linken eine dienstbare Dame. Er arbeitete an einer Karte des Heiligen Landes unter besonderer Berücksichtigung des Königreichs der Midianiter, über das er eine Monographie schrieb. Schließlich, als seine Gesundheit sich weitgehend gebessert hatte, beschlossen er und seine Frau, nach London zurückzukehren, und Lady Frances brach in ihrer Gesellschaft ebenfalls nach dorthin auf. Das war vor drei Wochen gewesen, und der Geschäftsführer hatte seitdem nichts von ihnen gehört. Dagegen war Marie, die Zofe, schon einige Tage früher, unter Strömen von Tränen, fortgegangen; sie hatte den Zimmermädchen noch erklärt, daß sie den Dienst für immer quittiere. Dr. Shlessinger hatte vor seiner Abreise die Rechnung für sie alle, auch für Lady Frances, bezahlt.
      »Übrigens«, sagte der Geschäftsführer zum Abschluß, »Sie sind nicht der einzige Freund von Lady Frances Carfax, der sich nach ihr erkundigt. Vor etwa einer Woche war ein Mann mit demselben Anliegen bei uns.«
      »Hat er einen Namen angegeben?«
      »Keinen. Aber er war Engländer, obgleich von einem seltenen Typus.«
      »Ein Wilder?« sagte ich, da ich die Fakten nach Art meines berühmten Freundes kombinierte.
      »Sehr treffend. Das Wort bezeichnet ihn sehr gut. Er ist ein großer, bärtiger, sonnengebräunter Bursche, der aussieht, als wäre er eher in einer Bauernkneipe zu Hause als in einem eleganten Hotel. Ein harter, hitziger Mann, würde ich denken, und jemand, den ich ungern gegen mich aufbringen möchte.«
      Schon begann das Rätsel sich selbst zu erklären, wie Gestalten deutlicher hervortreten, wenn ein Nebel sich hebt. Da war diese gute und fromme Dame, die von einer finsteren und unerbittlichen Person von Ort zu Ort verfolgt wurde. Sie fürchtete ihn, sonst wäre sie nicht aus Lausanne geflohen. Er folgte ihr weiter. Früher oder später würde er sie einholen. Hatte er sie bereits? War dies das Geheimnis ihres andauernden Schweigens? Hatten die Leute, die ihre Freunde waren, sie vor seiner Gewalttätigkeit oder seinen Erpressungen nicht schützen können? Was für eine fürchterliche Absicht, welch dunkler Plan lag hinter der langen Verfolgung? Das war das Problem, das ich zu lösen hatte.
      Ich schrieb an Holmes und legte dar, wie geschwind und sicher ich zum Kern der Angelegenheit vorgedrungen war. Als Antwort erhielt ich ein Telegramm, in dem er um eine Beschreibung von Dr. Shlessingers linkem Ohr bat. Holmes’ Vorstellungen von Humor waren schon wunderlich und manchmal verletzend, so nahm ich seinen unpassenden Scherz gar nicht zur Kenntnis – und auf meiner Suche nach Marie, der Zofe, war ich auch schon in Montpelier eingetroffen, bevor mich seine Anfrage erreichte.
      Ich hatte keine Schwierigkeiten, das entlassene Mädchen ausfindig zu machen und in Erfahrung zu bringen, was sie berichten konnte. Sie war ein treues Geschöpf, das von seiner Herrin den Abschied genommen hatte, weil sie es für sicher hielt, daß sie in guten Händen sei, und weil die eigene bevorstehende Heirat die Trennung sowieso unumgänglich machte. Ihre Herrin hatte, wie sie kummervoll bekannte, sich ihr gegenüber während des Aufenthalts in Baden-Baden gereizt und launisch gezeigt und ihr sogar einmal Fragen gestellt, als ob sie an ihrer Redlichkeit zweifelte; das hatte den Abschied leichter gemacht, als es sonst der Fall gewesen wäre. Lady Frances hatte ihr fünfzig Pfund für die Hochzeit geschenkt. Genauso wie ich hegte Marie dem Fremden gegenüber, der ihre Herrin aus Lausanne vertrieben hatte, ein tiefes Mißtrauen. Mit eigenen Augen hatte sie gesehen, wie er die Dame ausgesprochen gewalttätig auf der öffentlichen Seepromenade beim Handgelenk packte. Er war ein wilder und fürchterlicher Mann. Sie glaubte, er würde sich auch nicht durch die Tatsache abschrecken lassen, daß Lady Frances die Begleitung der Shlessingers nach London angenommen hatte. Sie hatte über all dies nie zu Marie gesprochen, aber viele kleine Anzeichen hatten das Mädchen zu der Überzeugung gebracht, daß ihre Herrin in einem Zustand dauernder nervlicher

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