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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Klagegeheul an, als sie Blizzard sahen. Er blickte sie vorwurfsvoll an und verscheuchte sie mit einer Handbewegung. Er setzte sich keuchend auf, während das Leben aus ihm rann. Die Menschen standen ratlos, versuchten ihm mit stummen Gesten Erleichterung zu geben. Er blickte sie der Reihe nach aus dunklen Augen an und herrschte bis an sein Ende - schweigend.
    Nur zögernd löste sich ihre Erstarrung. Leise berichtete Ricardo, was geschehen war. Die Knirpse hatten tags zuvor an einem Treffpunkt im Osten Kontakt mit Händlersöldnern aufgenommen, um Tauschhandel mit ihnen zu treiben. Dabei mussten Überlebende des Gefechts im Landegebiet Blizzard erkannt und beschlossen haben, sich für die Niederlage zu rächen. Es war ihnen gelungen, einen Schlafbaum ausfindig zu machen, ihn nachts zu umstellen und zwei Weibchen mit drei Jungen zu überwältigen und gefangen zu nehmen. Blizzard war bereit, für die Freilassung der Geiseln mit Fellen zu bezahlen, doch die Kidnapper forderten Waffen und Munition. Als ihnen dies verweigert wurde, knüpften sie kurzerhand eins der Weibchen auf, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Sie fühlten sich stark genug, die Bedingungen diktieren zu können, denn sie waren eine Gruppe von zweiundzwanzig Mann, bis an die Zähne bewaffnet und zum überwiegenden Teil erfahrene und abgebrühte Söldner.
    Blizzard versuchte sie hinzuhalten, während er seine und Goodlucks Leute zusammenzog, doch die Kidnapper bemerkten, was er vorhatte, massakrierten ihre Gefangenen und eröffneten das Feuer. Blizzard, außer sich vor Zorn, versuchte seine Gegner zu überrennen, bevor genügend Verstärkung eingetroffen war, und wurde dabei schwer verwundet. Zu dem Zeitpunkt erreichten Ricardo und Jerome den Kampfplatz. Während Jerome mit Goodluck die Führung über die Krieger beider Stämme übernahm, versuchte Ricardo Blizzards Leben zu retten, indem er ihn so schnell wie möglich in die Festung brachte.
    »Warum hast du nicht den Helikopter gerufen? Wir hätten in ein paar Minuten da sein können«, sagte Steve.
    Der Mexikaner wies auf die Einschüsse am Fahrzeug. »Die Geräte sind hin. Wir hatten Glück, dass der Tank nicht getroffen wurde.«
    Am späten Nachmittag kam Jerome mit sechs Knirpsen, die alle Verletzungen davongetragen hatten, aber keiner war in Lebensgefahr. Sie führten achtzehn Kamele mit sich, die eine Menge Waffen, Ausrüstungsmaterial und Handelsgüter trugen. Die Knirpse hatten ihre Gegner restlos vernichtet.
    Jerome war bleich. »So etwas habe ich noch nicht erlebt«, sagte er leise und warf einen scheuen Blick auf die Verwundeten, die vor der Krankenbaracke hockten, wo sie versorgt wurden. »Sie haben gekämpft wie Berserker, ohne Rücksicht auf Verluste. Es war schrecklich. Wie die Furien fielen sie kreischend über ihre Gegner her und machten sie nieder. Sie bissen ihnen die Kehlen durch, wenn sie nahe genug herankamen.«
    »Sind viele tot?«
    »Von den anderen alle. Von den Knirpsen bestimmt zehn oder zwölf.«
    Bei Anbruch der Dunkelheit kam Goodluck mit zwölf weiteren Kamelen. Er brachte die Toten der beiden Stämme und die Weibchen und Jungen. Bailey ließ Essen verteilen. Später zog Goodluck mit seinen Leuten und den Überlebenden von Blizzards Stamm durch die Festung bergwärts, um beim Begräbnisplatz auf dem Hochplateau ein Lager aufzuschlagen. Das Wehklagen der Weibchen und das Weinen der Kinder war die ganze Nacht über zu hören.
    Am späten Vormittag stiegen Bailey, Jerome, Ricardo und Steve zum Begräbnisplatz hinauf. Es bot sich ihnen ein gespenstisches Schauspiel. Die Krieger hatten sich die Gesichtsfelle weiß eingefärbt und hockten im Halbkreis um die aufgebahrten Toten. Sie hatten eine lange flache Grube gescharrt. In der Mitte lag Blizzards mächtige Gestalt, etwas erhöht, links und rechts von ihm je fünf der gefallenen Krieger. Die Leichen waren über und über mit grünen Zweigen und Blumen bedeckt. Während die Weibchen und Kinder sich schweigend im Hintergrund hielten, begannen die Krieger mit dem Totenritual. Mit rhythmischem Keuchen warfen sie alle gleichzeitig den Oberkörper nach vorn; die Hände auf den Rücken gelegt, senkten sie die Stirn ruckartig bis fast auf den Boden. Rascher wurde der Rhythmus, das Keuchen wuchs zum Stöhnen; die gefärbten Gesichter, nahezu ununterscheidbar, waren schmerzverzerrt, die Zähne gefletscht. Die Stirnen fuhren schneller auf und nieder, das Stöhnen steigerte sich zum spitzen qualvollen Schrei, der plötzlich

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