Der Letzte Tag Der Schoepfung
zog den Kopf ein, als wollte er ihn zwischen den breiten Schultern verschwinden lassen, und legte den Finger an den Mund. Jane drehte sich irritiert um, lächelte und winkte ihnen zu, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder den Männern zu, die Körbe und Ballen an Land trugen und sie auf Lasttiere verluden. Sie hatte ihn nicht erkannt.
Paul wirkte untersetzt, breitschultrig, fast ein wenig korpulent. Er hatte das Gesicht eines steinalten pfiffigen Bauern, der sich bester Gesundheit erfreut, mit feisten roten Wangen und munter blitzenden Augen.
»Täuschen mich meine Augen«, schnaufte er und setzte seinen Reisekorb ab, »oder war das die liebliche Jane Brookwood vom mathematisch-logistischen Department der NASA, frisch angeliefert, duftig und knusprig wie ein Buttercroissant?« Er spitzte genießerisch die Lippen und strich sich über den gepflegten weißen Kinnbart.
»Deine Augen täuschen dich nicht«, sagte Ricardo, umarmte den Ankömmling und küsste ihn auf beide Wangen.
»Dann lass uns um Himmels willen augenblicklich von hier verschwinden, Ricardo. Ich schäme mich meines Alters und der Lüsternheit, die ich bei ihrem Anblick verspüre. Nach all den vielen Jahren habe ich sie noch in bester Erinnerung. Es war in Madrid. Wir hatten gerade …« Er brach ab und warf ihr verstohlen einen Blick über die Schulter zu. »Lass uns gehen, bevor sie mich erkennt und einen Schock erleidet, von dem sie sich nie mehr erholen würde.«
»Du übertreibst.«
»Wer ist das neben ihr?«, fragte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf Jerome, der gerade Janes Gepäck an Bord trug. »Ich bin ihm schon irgendwann begegnet. Und dem da auch, verdammt noch mal.« Er wies mit seinem Wanderstab auf Steve. »Es überkommt mich die Erinnerung an einen köstlichen Whisky, den ich für eine noch köstlichere Nacht in den Armen dieser Schönheit hingab.« Er schloss die Augen und legte die Hand an die Brust. Dann wies er unauffällig mit dem Daumen über die Schulter und sagte: »Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist dieser alternde Westernheld Jerome Bannister, und du …« - er tippte Steve mit dem Zeigefinger an die Brust - »bist unser abgedankter Astronaut Steve Stanley. Stimmt’s? Ihr seid so schön jung geblieben. Wo habt ihr so lange gesteckt?«
»Wir sind auch schon fast drei Jahre hier«, sagte Steve.
»Drei Jahre!«, schnaubte Paul geringschätzig. »Wo drückt sich der alte Gauner herum? Habt ihr Hal nicht mitgebracht? Er war immer da, wenn die Barke anlegte.«
»Hal ist tot«, sagte Ricardo. »Charles auch, und Howard, und Blizzard …«
»Tot, tot«, sagte Paul und stieß vorwurfsvoll mit dem Stock auf den Boden. »Ich habe Moses besucht.«
»Wir hörten, dass du schon länger von Atlantis herübergekommen bist. Man hat dich gesehen.«
»Die Welt ist klein. Jeder kennt jeden. Ich habe euch viel zu berichten, von drüben, von Moses und seiner Familie. Ich war den ganzen Winter bei ihm. Wir hatten uns so viel zu erzählen, dass wir nicht früher fertig wurden.«
» Du hattest viel zu erzählen«, korrigierte ihn Ricardo.
» Ich hatte viel zu erzählen«, gab Paul zu, »aber er hatte auch einiges zu erzählen.«
Inzwischen waren die Passagiere an Bord gegangen, frisches Trinkwasser in Ziegenhäuten lag aufgetürmt an Deck, schwarzglitzernd, übereinander geworfen wie aufgedunsene verstümmelte Tierkadaver.
Die Leinen wurden losgeworfen, die schwere Rah wurde hochgezogen, Holz knarrte, Winschen quietschten, dann entfaltete sich das große dunkle Lateinersegel, die Barke glitt hinaus ins silbern glitzernde Wasser.
Sie standen lange und winkten, während die Treiber mit Rufen und Peitschenhieben ihre beladenen Tiere antrieben, mit denen sie ihre Waren zum Markt brachten.
»Da fährt sie hin, meine Jugend«, sagte Paul und schnäuzte sich lautstark in ein riesiges, nicht eben frisches rotes Sacktuch, das er aus den Tiefen seiner Umhängetasche gefischt hatte. Steve warf ihm einen Seitenblick zu und bemerkte, dass Paul sich verstohlen die Augen wischte. Er nahm den Reisekorb, um ihn zu den Kamelen zu bringen - und setzte ihn schleunigst wieder ab, als er ein drohendes Knurren aus dem Innern vernahm.
»Ruhig, Davy«, sagte Paul, »niemand will dich stehlen. Wir sind hier unter Freunden.« Er öffnete den Deckel des Flechtkorbs und hob am Nackenfell einen jungen Hund heraus, ein rostrotes Knäuel mit buschigem Schwanz, schwarzer Schnauze und kurzen stumpfwinkligen Ohren, das entfernt an einen Chow-Chow
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