Der Letzte Tag Der Schoepfung
erschütterte.
»Und was bringt Sie zu dem Schluss, Mr. Manley?«, erkundigte sich Francis.
»Wir testen die Prototypen des Werfers nun seit vier Monaten. Es haben sich verschiedene Mängel gezeigt, die es uns angeraten scheinen lassen, andere Werkstoffe zu verwenden. Wir haben wochenlang hin und her kalkuliert, welche Legierung allen Anforderungen gewachsen wäre, und wir haben eine geradezu ideale Lösung gefunden. Und genau in dem Moment …« - Manley ließ seine breite grauhaarige Pranke auf die Tischplatte fallen - »genau in dem Moment wird uns das Ding hier auf den Tisch gelegt. Und es besteht genau aus dieser Legierung, die wir als ideal betrachten, von der aber noch kein Gramm in Auftrag gegeben worden ist.«
»Hm. Also fassen wir zusammen: Es handelt sich mutmaßlich …«
»Mutmaßlich? Mit Sicherheit, Sir!«
»… um eine Waffe der US-Navy, die sich gegenwärtig hier in Entwicklung befindet, nach ihrer Schätzung mindestens zehntausend Jahre den Einflüssen von Wind und Wetter ausgesetzt gewesen sein muss, von der aber in dieser Ausführung, was die Zusammensetzung des Materials betrifft, noch kein einziges Exemplar angefertigt wurde. Ist das korrekt, Mr. Manley?«
»Absolut korrekt. Und ist das nicht verrückt?«
»Wissen Sie, Mr. Manley, Sherlock Holmes handelte nach einer Maxime, die er immer wieder mit Erfolg angewendet hat. Sie lautet: ›Wenn du alles Unmögliche ausgeklammert hast, muss das, was übrig bleibt, und sei es noch so unbeweisbar, die Wahrheit sein.‹ Meiner Meinung nach ist das eine voreilige Maxime. Ich möchte nicht so weit gehen, etwas fahrlässig als unmöglich auszuklammern.«
Manley senkte seinen bulligen Kopf und starrte den Navy-Offizier einen Moment lang verdutzt an. »Gestatten Sie eine Frage, Sir?«, sagte er dann.
»Bitte fragen Sie, Mr. Manley.«
»Lesen Sie Science Fiction, Sir?«
»Sie sagen das ein wenig vorwurfsvoll.«
»Keineswegs, Sir. Im Gegenteil.«
»Es gehört manchmal zu meinen Pflichten, mich mit Dingen zu beschäftigen, die nicht gerade auf der Hand liegen.«
Der Ingenieur nickte und lächelte plötzlich. Commander Francis’ Gesicht blieb völlig unbewegt.
»Ich glaube, damit hätten wir’s vorläufig, Mr. Manley, oder haben Sie noch Fragen?«
»N-nein, Sir«, sagte der Ingenieur, sammelte seine Unterlagen zusammen und eilte hinaus.
Etwa zehn Monate später, im Herbst 1960, lief in den USA der Film The Time Machine von George Pal nach einem Roman von H. G. Wells. Commander Francis sah ihn in Washington. Er besorgte sich ein Standfoto und heftete es in seinem Büro im Pentagon an die Wand. Es zeigte eine an zwei Stellen geknickte Zigarre auf dem Sitz eines winzigen Zeitmaschinenmodells, hinter der sich eine kunstvoll gehämmerte Metallscheibe drehte, die magisch den Blick auf sich zog, als gelte es, von einem Taschenspielertrick abzulenken.
Der Sputnik-Schock von 1957 steckte den Amerikanern noch in den Knochen, als am 12. April 1961 0707 MEZ Major Gagarin an Bord der Wostok I in 108 Minuten ein Mal die Erde umkreiste und in der Nähe des Dorfs Smelowka im Distrikt Saratow sicher landete. Die westliche Presse, vom Kalten Krieg noch auf Erfolgsmeldungen programmiert, heulte auf; die Militärs im Pentagon knirschten mit den Zähnen. Präsident John F. Kennedy sah sich veranlasst, seine im Wettlauf um den Weltraum geschlagene Nation um sich zu sammeln und verkündete sechs Wochen später, am 25. Mai 1961: »Unsere Nation sollte sich zum Ziel setzen, noch vor Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen zum Mond und heil wieder zurückzubringen.«
Die USA setzten auf den Mond.
Mitte November 1962 fand in Detroit eine Tagung statt, auf der NASA-Wissenschaftler, Techniker aus den Luft-und Raumfahrt-Industrien und Spezialisten der Army, der Air Force und der Navy über das Verhalten von Werkstoffen bei extremen Belastungen diskutierten und ihre Erfahrungen austauschten. Auch Commander Francis war abkommandiert worden und hielt einen Vortrag über die Ergebnisse, die die Navy bei den Wasserstoffbombenexplosionen im Pazifik gewonnen hatte. Sein Thema lautete lapidar: »Verhalten von Oberflächen bei extremer Strahlenbelastung«.
Die Stimmung auf der Tagung war mehr als gedämpft. Achtzehn Monate nach Kennedys programmatischer Forderung hatten die USA nicht einen Erfolg aufzuweisen, sondern im Gegenteil einen Rückschlag nach dem anderen hinnehmen müssen. Ranger 2 erreichte im November 1961 nicht einmal eine Bahn Richtung Mond; Ranger 3 flog
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