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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Ende Januar 36 000 km am Mond vorbei; Ende April traf Ranger 4 endlich den Mond und zerschellte programmgemäß auf der Mondoberfläche, doch die Kameras versagten; und Ranger 5 hatte eben wieder das Ziel verfehlt, wenn auch nur um 720 km. Die Leute von der NASA wirkten bedrückt - die Militärs machten aus ihrer Unzufriedenheit keinen Hehl, und es fielen gelegentlich böse Worte. Die Vertreter der Industrie wiesen zwar darauf hin, dass die Programme zu überstürzt durchgeführt würden, gaben sich jedoch optimistisch, denn es winkten lukrative Aufträge.
    Nach den Spezialexkursen tagsüber, lenkte man die Diskussionen am Abend dankbar in allgemeinere Bahnen. Es war immer wieder von der »Überwindung des Raumes« die Rede.
    »Sagen Sie«, fragte Francis gedehnt und betont beiläufig den Physiker, der neben ihm saß und dessen Schildchen am Revers ihn als einen Dr. Thomas Winter von der NASA auswies, »halten Sie es für möglich, dass wir eines Tages auch die Zeit überwinden?«
    Dr. Winter blickte ihn einen Moment lang abschätzend über seine randlose Brille hinweg an, dann schielte er seinerseits auf Francis’ Schildchen und sagte mit einer Spur Überheblichkeit in der Stimme: »Wissen Sie, Commander, die Wissenschaftsgeschichte pflegt grausam mit jenen umzugehen, die das Wort ›unmöglich‹ allzu unbedacht gebrauchen. Ich halte die Zeitreise theoretisch und praktisch für … unwahrscheinlich.«
    »Also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Doktor, dann ist sie nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich.«
    »Nun, ich möchte sogar weitergehen.« Dr. Winter spitzte die Lippen und saugte an dem blauen Plastikhalm seiner Cola-Flasche. Dann nahm er mit bedeutsamer Geste die Brille von der Nase. »Ich halte sie einfach für undenkbar.«
    Francis nickte.
    »Sehen Sie …« Winter schob sich die Brille wieder auf die Nase und funkelte sein Gegenüber nun mit wachem Interesse an. »Wenn Sie diese Möglichkeit eröffnen, dann öffnen Sie den Paradoxa Tor und Tür. Sie verstricken sich bei jedem logischen Schritt in unaufhebbare Widersprüche. Zeitreise würde die Logik zunichte machen. Die Annahme dieser Möglichkeit wäre bereits unlogisch.«
    »Das heißt also, dass Sie die Zeitreise für unwahrscheinlich, undenkbar und unlogisch halten. Dennoch halten Sie sie für nicht unmöglich.«
    Dr. Winter sah Francis nachdenklich an, dann nickte er schweigend.
    »Entschuldigen Sie die Frage, Doktor«, fuhr Francis fort. »Aber das tun Sie doch nicht aus übertriebenem Respekt vor einem zukünftigen Urteil der Wissenschaftsgeschichte.«
    Dr. Winter lächelte. Dieser Mann von der Navy, den er zunächst für einen etwas eitlen Dummkopf gehalten hatte, begann ihm zu gefallen.
    »Sehen Sie, Commander«, sagte er gönnerhaft, »Wahrscheinlichkeiten und Undenkbarkeiten besagen in der naturwissenschaftlichen Theoriebildung im Grunde nichts. Sie sind Ausdruck von empirischen Erfahrungen und Denkgewohnheiten. Und was die Logik betrifft - sie spiegelt allenfalls die Gesetzmäßigkeiten menschlichen Erkenntnisvermögens, nicht die Gesetzmäßigkeiten des Universums.«
    »Ich verstehe.«
    »Es sind gerade diese Unmöglichkeiten - die verbotenen Spielregeln sozusagen -, die dem menschlichen Geist den Raum zu faszinierenden Gedankenspielen eröffnen.«
    Francis nickte gedankenvoll. Er beschloss, sofort nach seiner Rückkehr nach Washington einen Stab von Leuten die gesamte Literatur nach Spuren solcher faszinierenden Gedankenspiele durchsuchen zu lassen. Er hörte gar nicht mehr richtig zu, als der Mann von der NASA dozierend den Finger hob und sagte: »Und die entscheidenden Durchbrüche in der Naturphilosophie - was waren sie denn am Anfang anderes als faszinierende Gedankenspiele?«

ZWEITER TEIL
    Das Chronotron-Projekt
    Über Huntsville, Alabama, ging ein Gewitterregen nieder. Blitze zuckten, der Donner ließ die vom Wasser verschmierten Scheiben klirren. Draußen war es dunkel, als wäre die Nacht hereingebrochen, doch die Digitaluhr über der Tür zeigte in Leuchtschrift die Ziffernfolge 14:47.
    Im Sitzungssaal des »Engeren Kreises« brannten Leuchtstoffröhren, aber die brannten auch, wenn draußen die Sonne schien. Der schwache Hauch der permanent leise wispernden Klimaanlage abstrahierte die Mittagsschwüle ebenso wie die Labsal des erfrischenden Regengusses zu einer faden, sorgfältig befeuchteten Frostigkeit, die sich auf Schleimhäuten und in Gehirnen festsetzte.
    Admiral William W. Francis reckte energisch sein markantes

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