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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Kinn, als wollte er mit dieser Geste wie eine Planierraupe die Argumente der Wissenschaftler beiseite schieben und symbolisch einen Schlusspunkt unter die Debatte setzen, und sagte: »Meine Herren, ich verstehe …« Ein greller Blitz erhellte die Gesichter der Anwesenden, und ein unmittelbar darauf folgender Donnerschlag ließ die Scheiben erzittern. Der Admiral senkte den Kopf und wartete einige Sekunden, bis das Krachen abgeebbt war, dann fuhr er fort: »Ich verstehe Ihre Einwände nicht. Früher oder später werden auch andere Wissenschaftler dahinterkommen, dass zwischen Gravitation und Zeitdimension eine Abhängigkeit besteht. Was liegt näher als die Annahme, dass zwischen einem vierdimensionalen Raum, in dem sich die Gravitationswirkungen von Massen abbilden, und der Dimension der Zeit Interdependenzen vorliegen. Gut, wir können verhindern, dass andere sich allzu intensiv damit befassen, aber warum sollen wir nicht den Vorsprung nutzen, den wir haben. Meine Herren, es geht hier um den Bestand unserer Nation - ach, was sage ich: um den Bestand der abendländischen Zivilisation! Wir sind am Ball, und wir sollten unsere Chance nutzen. Wir haben die Mittel, die entscheidenden Weichenstellungen für das Wohlergehen der westlichen Welt vorzunehmen, also werden wir genau dies tun, bevor die anderen die Finger am Hebel haben. Das ist doch das einzige Argument, das zählt , meine Herren!«
    Professor Samuel Fleissiger - ein großer, etwas linkisch wirkender Mann Ende dreißig, dunkles, leicht gekräuseltes Haar, beginnende Stirnglatze, nicht mehr ganz weißer Rollkragenpullover und abgetragenes braunes Cordjacket mit ausgebeulten Taschen, hellbraune, ebenso ausgebeulte Gabardinehosen - hob den Blick von den Papieren, die vor ihm auf dem Tisch lagen, und betrachtete mit seinen hellgrauen Augen über den Rand seiner Nickelbrille hinweg den Admiral, als hätte er einen etwas begriffsstutzigen Prüfungskandidaten vor sich.
    »Eben deshalb mein Einwand, Admiral Francis«, sagte er betont erstaunt und mit einer Spur beißendem Spott in der Stimme. »Weil es um den Fortbestand der abendländischen Zivilisation, und weil es um das Wohlergehen der westlichen Welt geht, ist es vor allem nötig, Projekte in dieser Richtung sorgfältig zu planen. Es ist völlig überflüssig, etwas zu überstürzen, denn jeder ›Vorsprung‹, wie Sie es nennen, ist illusorisch. Sie würden einem Phantom nachjagen, und es ginge Ihnen wie dem Hasen, der mit dem Igel um die Wette läuft. Ganz gleich, wie schnell sie rennen, wenn Sie ans Ziel kommen, ist der Igel immer schon da.«
    »Dann müssen wir eben der Igel sein«, sagte der Admiral, der die Anspielung nicht verstand. Er lehnte sich zurück und warf den beiden technischen Direktoren von der NASA einen Hilfe heischenden Blick zu.
    Dr. Herbert H. Hollister setzte pflichtschuldig ein verächtliches Lächeln auf und wandte den Kopf in Fleissigers Richtung, während Dr. Ing. Walther W. Berger mit verdrossener Miene auf seine Unterlagen starrte; ihn interessierten allein der technische Aspekt des Projekts, die Fakten; die theoretischen Abschweifungen der Akademiker hielt er für schiere Zeitverschwendung.
    »Wenn das so einfach wäre«, entgegnete Fleissiger und legte resigniert seufzend die Kuppen seiner beinahe hässlich langen, schmalen Finger gegeneinander. »Oder was meinst du, Nobuyuki?«
    Professor Nobuyuki Kafu, ein kleiner untersetzter Mann japanischer Abstammung mit rundem Schädel, das glänzend schwarze, borstige Haar da und dort mit weißen Büscheln durchsetzt, war etwa im gleichen Alter wie Samuel Fleissiger. Er trug ein blütenweißes Hemd und einen eleganten dunkelblauen Maßanzug mit Nadelstreifen, der seine stiernackige, kurzbeinige Stämmigkeit etwas milderte. Dennoch wirkte er eher wie ein Mittelgewichtsmeister im Boxen, der zu einem Bankett geladen ist und sich zu diesem Zweck in einen ungewohnten Anzug gezwängt hat, als ein Physikprofessor bei einer Arbeitssitzung. Er hatte zusammen mit Fleissiger am Caltech an einem Projekt für Schwerkraftfelder-und Gravitationswellenforschung gearbeitet. Dabei waren sie bei der Berechnung von Modellen extremer Schwerkraftverhältnisse, wie sie bei Pulsaren und Schwarzen Löchern auftreten, auf Abhängigkeiten zwischen solchen Feldern und seltsamen chronometrischen Phänomenen in der Frequenz von Pulsaren gestoßen, die einen merkwürdigen Schluss zuließen: In extrem starken Schwerefeldern ist es möglich, dass Masseteilchen in Richtung

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