Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke

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aus dem er als Sieger hervorgegangen war. Walton ließ alle Waffen einsammeln - aber natürlich wusste längst kein Mensch mehr, wie viele Gewehre die Knirpse sich unter den Nagel gerissen hatten - und stellte ein Erschießungskommando zusammen. Als sich ein paar Leute aus der Festung weigerten bei diesem Irrsinn mitzumachen, brüllte er herum: Disziplinlosigkeit, Befehlsverweigerung und drohte mit weiteren Erschießungen, wenn man ihm nicht gehorche. Als er bei uns Alten, die wir schon seit mehr als zehn Jahren hier waren, bevor der Schnösel auftauchte, auf Ablehnung und Befremden stieß, glaubte er, ein Exempel statuieren zu müssen. Er nahm seine Maschinenpistole und schoss den verurteilten ›Mörder‹ eigenhändig über den Haufen, der überhaupt nicht begriff, was der Captain von ihm wollte. In der Nacht drauf waren sämtliche Knirpse aus der Festung verschwunden - und mit ihnen der Sechs-Sterne-Walton. Ich glaube kaum, dass irgendjemand aus Goodlucks Stamm auch nur einen Bissen von diesem fiesen Typen gegessen hat, aber er blieb spurlos verschwunden. Kein Hahn krähte ihm nach. Ein paar Wochen später tauchte an einem Schädelbaum oben auf der Hochebene ein frischer Kopf auf, der entfernte Ähnlichkeit mit dem Kopf unseres verdienten Navy-Offiziers hatte, aber es war nicht mit Sicherheit festzustellen, ob es tatsächlich der vom Sechs-Sterne-Walton war, denn die Geier waren schon da gewesen. Wie dem auch sei, er dürfte keinen leichten Tod gehabt haben.«
    Die Nachtluft war kühl. Ein Knirps, der von der Wache zurückgekehrt war, hatte sich zu ihnen gesetzt und hörte schweigend, aber aufmerksam zu. Die flackernde Kerzenflamme spiegelte sich in seinen Augen. Seine breite Nase weitete sich, als er sich die Witterung der Neuankömmlinge einprägte.
    »Es hat uns viel Überredungskünste und eine Menge Geschenke gekostet, bis Goodluck sich endlich versöhnt zeigte.«
    Der Affenmensch hielt den rechten Zeigefinger in die Kerzenflamme. Die Haare auf der Oberseite begannen zu glimmen, und es roch nach versengtem Fell. Er zog den Finger zurück und schnupperte daran, dann steckte er ihn in den Mund.
    »Unter Walton wurden doch tatsächlich etwa zwanzig Kilometer Pipeline ins tunesische Schelf hineingebaut. Das hat ihn innerhalb von drei Monaten siebzig Menschenleben gekostet, aber das war ihm gleichgültig. Er wollte das Projekt erzwingen, obwohl er sah, dass das meiste Material nur noch Schrott war, entweder in Jahrzehnten des Herumliegens verrottet oder durch die Söldnertrupps unbrauchbar gemacht. Sie hieß ›Walton’s Deadline‹, und die Scheichs haben sie geradezu mit Hingabe bepflastert und ausradiert.«
    Durchs Blattwerk der Kastanie blinzelten Sterne. Der Krug war geleert.
    »Ich bin ins Erzählen gekommen«, sagte Harald und gähnte. »Ich muss morgen vor Tagesanbruch die Kamele satteln und für den Markt beladen. Wenn ihr wollt, könnt ihr mitkommen. Ihr seid in zwölf oder vierzehn Tagen wieder zurück.«
    »Wir haben dem Kommandanten zugesagt, Ruiz und Murchinson abzulösen, um die nächsten Landegruppen rauszuholen.«
    »Glaubt ihr, die fallen herunter wie die reifen Äpfel. Wahrscheinlich wird es Wochen oder Monate dauern, bis die nächste eintrifft. Selbst in den besten Zeiten kamen im Monat zwei, höchstens drei. Es sind nicht mehr viele unterwegs.«
    »Ich bleibe lieber hier«, sagte Jerome.
    »Gut, dann komme ich mit«, meinte Steve.
    »Ich werde dich wecken«, sagte Harald.
    Elmer mit dem kaputten Bein sammelte die Holzbecher ein und steckte sie in den Krug. Er nahm seine Krücke. »Gute Nacht«, sagte er. Leuchtkäfer blinkten wie perfekt gleichgeschaltete Pulsare ihre rätselhaften Lichtbotschaften aus den Galaxien des Mikrokosmos.
    »Gute Nacht«, sagte der Affenmensch und berührte mit den Fingerspitzen der rechten Hand rasch und flüchtig ihre Stirnen, bevor er in der Dunkelheit verschwand.
    »Wo schläft er?«, fragte Jerome.
    »Er hat seinen Schlafplatz in den Bäumen«, sagte Elmer und deutete mit der Krücke unbestimmt nach oben. »So ist er es gewohnt.« Er humpelte davon.
    Als Steve sich auf seinem Feldbett unter den Decken verkroch, lag die USS Thomas Alva Edison bereits Lichtjahre entfernter hinter ihm als der Sirius. Er dachte an den smarten Offizier, der ihn in Miami am Flughafen erwartet hatte, und die Vorstellung, seinen Kopf auf einen Schädelbaum gespießt zu sehen, verschaffte ihm ein gewisses Gefühl der Befriedigung. Dafür schämte er sich, aber kurz darauf war er