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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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warf ihm einen verdrießlichen Blick zu und dachte mit Wehmut an die Dose Bier, die er vor vier Tagen achtlos durch die Kehle hatte rinnen lassen. Doch allmählich freundeten sie sich mit dem leicht berauschenden Gebräu an.
    Es war inzwischen fast dunkel geworden und der alte Trucy - oder Elmer mit dem kaputten Bein, wie er genannt wurde - klebte eine dicke Kerze aus Bienenwachs auf die Platte des roh gezimmerten Tischs. »Wir sind hier sicher«, sagte er, als er Steves fragenden Blick bemerkte. »So sicher wie in Abrahams Schoß.«
    »Und was ist aus den anderen geworden?«, fragte Jerome. »Aus Paul und Salomon? Und wo ist Moses?«
    »Ach, wo soll ich anfangen?«, fragte Harald. »Das sind schon fast vergessene Geschichten. Ist mehr als vierzig Jahre her. Moses ist oben im Norden, dort, wo später die Schweiz ist. Er züchtet Kamele. Früher kam er jedes Jahr herunter um Tiere und Felle zu verkaufen, jetzt schickt er seine Söhne. Er selbst muss ja schon über achtzig sein. Er hat sich eine Frau genommen, als er noch Jäger war, und die ist mit ihm gegangen. Er hat ein paar Boisei abgerichtet, die für ihn arbeiten. Er ist immer gut mit diesen Burschen ausgekommen, hat sie auf seinen Streifzügen durch die Rhône-Schlucht und in den Seealpen kennen gelernt, wo sie zurückgezogen leben.«
    »Boisei?«
    »Ja, die größeren Brüder der Knirpse, der Anthropus Africanus Boisei , zottige Kerle mit rotem oder schwarzem Fell, bis zu zwei Meter groß. Sehen wild aus mit ihren flachen Quadratschädeln, sind aber sanft wie Lämmchen und tun keiner Fliege was zuleide. Sie sind Pflanzenfresser, leben hauptsächlich von Bananen und Beeren und so. Die Knirpse werden sie bald völlig verdrängt und eines Tages ausgerottet haben, denn die können sie partout nicht ausstehen. Schon der Geruch eines Boisei macht einen Knirps blutrünstig, dabei sind die Riesen völlig harmlos, eben ein bisschen bekloppt und schwer von Begriff, aber ich hab sie immer sehr gemocht.«
    »Und was ist mit Paul Loorey?«
    »Der ist vor ein paar Jahren rübergegangen nach Atlantis. Er ist noch recht rührig für sein Alter. Wollte sich die Sache erst einmal aus der Nähe ansehen, bevor er sich endgültig zur Ruhe setzte, aber es scheint so, als hätte es ihm drüben gefallen. Die auf den Bermudas waren lange Zeit ein lahmer, weinerlicher Haufen, der wie gebannt auf die Testmassen in der Zugriffzone starrte und schon Schadenersatz-Forderungen an die Navy aufsetzte, aber seit etwa fünfzehn Jahren haben ein paar clevere Typen da drüben die Sache in die Hand genommen. Versuchen die Leute zu begeistern mit ihrer Parole ›Wir bauen Atlantis‹ und machen seither schwer auf Zivilisation, sind dabei eine neue Stadt zu bauen, bilden Handwerker aus, haben eigene Münzen geprägt und liefern uns sogar schon Zeug: Stoffe, Gläser, Papier, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, alles Mögliche. Ja, und das wollte sich Paul erst mal ansehen, bevor er sich entscheidet. Viele von uns wollen nämlich gar nicht rüber, was Elmer? Wir sind froh, uns alle Zivilisation abgewöhnt zu haben. Wir haben hier gelebt wie ein Haufen Wilder und uns daran gewöhnt. Was wollen wir mehr?«
    Die Kerze flackerte und malte geisterhafte Schatten in die Gesichter der beiden Greise, dass sie einen Moment lang wie Totenschädel aussahen. Steve fröstelte. Das Wasser des Bachs war eisig gewesen, und die Kälte hatte in Sekundenschnelle an seinen Schienbeinen genagt. Er umfasste den Holzbecher und trank ihn leer. Elmer goss nach.
    »Und Salomon Singer?«, fragte Jerome.
    »Das ist die traurigste und lustigste Geschichte zugleich«, sagte Harald. »Der hat es doch tatsächlich fertig gebracht, ein Verhältnis zu den Knirpsen zu finden. Am Anfang haben ihn alle ausgelacht, aber er hat sich nicht beirren lassen, und bald ist den anderen das Lachen vergangen.«
    »Auf jeden Fall hat er es als Erster gewagt, eines ihrer Weibchen zu beschlafen«, kicherte Elmer und lehnte seine Krücke an die Tischkante. »Von hinten natürlich, wie sie es gewohnt sind. Sie können nämlich schrecklich beißen, wenn sie die Lust packt. Und einen Geruch haben die manchmal, der ist atemberaubend, was Hal?«
    »Ja, er hielt es für wichtig, um in den Clan aufgenommen zu werden. Er hat die Knirpse ja monatelang beobachtet, ihnen jede Geste abgeguckt, ließ sich nicht abschütteln und saß ihnen wie eine Klette im Pelz. Ein paar Mal haben sie ihn so übel zugerichtet, dass wir dachten, wir brächten ihn nicht mehr durch. Aus

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