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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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verkaufen?«, fragte einer.
    »Was wollt ihr mit dem Zeug?«, fragte Harald und deutete verächtlich auf die staubigen rotzottigen Felle.
    »Die Scheichs zahlen einen guten Preis dafür.«
    »Und mit was wollt ihr die Kamele bezahlen?«
    »Wir haben auch Tigerfelle und -zähne. Die bringen in Atlantis jedes Jahr mehr.«
    »Darüber ließe sich reden«, brummte Harald. Steve wusste inzwischen, dass von den Bermudas keine Almosen zu erwarten waren. Schon die Verbindung über den Atlantik kostete eine Menge wertvollen Treibstoffs und stellte eine großzügige Geste dar. Die Vorräte, die die Navy drüben in die Vergangenheit geschickt hatte, waren zwar groß, aber nicht unerschöpflich. In der Westsenke war das Dieselöl inzwischen eine Rarität, weil die meisten Container von den Söldnern aufgespürt und sinnlos in die Luft gejagt worden waren oder auf dem Grund des Meeres lagen. Die Fahrzeuge wurden nur noch in außergewöhnlichen Situationen verwendet, wenn es um die Rettung von Menschenleben oder die Verteidigung der Festung ging. Wenn sie Treibstoff von Atlantis bezogen, mussten sie ihn bezahlen, wie alle Güter und Handelswaren. Die junge Kolonie hatte nichts zu verschenken.
    »Platz da!«, hörte Steve jemanden rufen. Er wandte sich um - und erblickte Blizzard, der mit der Barke aus dem Norden heruntergekommen war. Man konnte ihn schwerlich als »Knirps« bezeichnen. Er war ein ungewöhnlich großes Exemplar seiner Rasse und hatte ein seidiges, fast weißes Fell. Seine imposante äußere Erscheinung und seine gemessenen Bewegungen gaben ihm etwas Aristokratisches. Er strahlte Würde aus. War Goodluck ein stolzer Krieger, ein kampferprobter Häuptling, Blizzard war ein Fürst. Seine hellgrauen Augen blickten feinsinnig und unnachsichtig, mit ihnen herrschte er schweigend und gebieterisch. Auch über Menschen gebot er; sie unterwarfen sich ihm unbewusst. Mit der Sicherheit eines Grandseigneurs diktierte er das Protokoll, legte er die Hackordnung fest. Niemand in der Festung wäre sehr überrascht gewesen, hätte man ihn eines Tages hinter Harness’ Schreibtisch gesehen, mit ruhigen Gesten die Operationen leitend. Seine Weibchen - fünf oder sechs gehörten zu seiner ständigen Begleitung - waren um sein leibliches und seelisches Wohl besorgt. Sie beteten ihn geradezu an. Sie rissen sich darum, seinem gepflegten Fell noch mehr Pflege angedeihen zu lassen, ihm Leckerbissen in den Mund zu schieben und ihm bei der leisesten Regung von Lust gefügig zu sein.
    Er ging von Bord wie ein Pascha mit seinem Gefolge und begrüßte die Anwesenden mit einem huldvollen Neigen des Kopfes. Unwillkürlich neigte ihn auch Steve.
     
    Der »Markt« lag eine halbe Tagesreise östlich der Anlegestelle auf einem Berggipfel, der rundum weit ins Tiefland Aussicht bot. Hier trafen sich auf neutralem Territorium Festungsleute, Händlersöldner, Jäger und ehemalige Angehörige von Landungsgruppen, die ihren Dienst in der Festung quittiert hatten und nun versuchten, wie Moses irgendwo in der Wildnis Südeuropas eine eigene Existenz aufzubauen. Hier tauschten sie ihre Produkte aus: Felle, Leder und Lederwaren, Gebrauchsgüter aus Atlantis oder aus geplünderten Navy-Containern, Tiere der Wildnis, die sie zu zähmen oder zu züchten versucht hatten. Das Angebot war erbärmlich und rührend zugleich und erinnerte Steve an Weihnachtsmärkte, auf denen Kinder für einen guten Zweck Selbstgebasteltes anbieten - nur war hier der Zweck das Überleben sowie ein wenig Luxus und Behaglichkeit, um dieses mühsam gehaltene Leben lebenswert zu machen.
    Steve staunte über die Vielfalt an Häuten und Fellen, welche die Jäger anboten.
    »Wer braucht all diese Pelze?«, fragte er Harald.
    »Damit tauschen wir drüben alles ein, was wir benötigen.«
    »Aber auf den Bermudas ist es doch das ganze Jahr über warm.«
    »Das spielt keine Rolle. Das ist eine reine Prestigefrage. Große Mode - und unser Glück«, kicherte er. »Dem wir gelegentlich etwas nachhelfen«, versicherte er augenzwinkernd, »indem unsere Händler drüben pelzbehangen auftreten wie russische Großfürsten. Sie machen die Preise im Schweiße ihres Angesichts.«
    Plötzlich fiel Steve ein junger Mann auf, der ganz so aussah wie der Moses, den er vor knapp zehn Tagen gekannt hatte.
    »Das ist Ruben, einer von Moses Söhnen. Der zweitälteste. Er hat die einjährigen Hengste zum Verkauf heruntergebracht. Moses selbst ist schon zu alt für den langen Ritt aus dem Tessin bis hierher. Und der

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