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Der letzte Tag der Unschuld

Der letzte Tag der Unschuld

Titel: Der letzte Tag der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edney Silvestre
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Europa.«
    »Und einmal in den Vereinigten Staaten. Sie sind zusammen geflogen. Er und meine Tante. Und er hat gesagt, nächstes Jahr fliegen sie wieder hin.«
    »Und dieser Onkel hat einen Fernseher zu Hause. In Tijuca.«
    »Aber mein Vater hat gesagt, er kauft auch einen. Sobald er genug Geld hat.«
    »Und wenn hier ein Fernsehturm gebaut wird.«
    »Um die Bilder zu empfangen. Die werden durch die Luft übertragen, so ähnlich wie beim Radio.«
    »Hier dürfen wir kein Radio hören. Das ist verboten. Die Nonnen mögen es nicht.«
    »Sie mögen keine Musik?«
    »Sie mögen keinen Krach. Keine laute Musik. Viele Alte hier sind schwerhörig und hören das Radio nur, wenn es voll aufgedreht ist. Deshalb haben die Nonnen es verboten. Aber sie mögen überhaupt nichts. Sogar die Nachrichtensendungen haben sie verboten. Nicht mal Repórter Esso dürfen wir hören. Die Zeitschriften, die wir hier bekommen, sind alt, die Zeitungen von vorgestern. Wir sind von der Welt abgeschnitten, wir haben keine Ahnung, was draußen passiert. Ist das mein Seil?«
    Paulo war so verdattert, dass ihm keine Antwort einfiel.
    »Das Seil um deine Schulter, Junge. Ist das meins?«, beharrte der Mann. Er war dunkelhäutig, schielte ein wenig und hatte einen nordostbrasilianischen Akzent.
    »Was soll das heißen: Ihr Seil?«, mischte sich Eduardo ins Gespräch.
    »Meins. Mit meinem Geld gekauft. Es war an der Leiter festgebunden.«
    »Leiter?«
    »Was für eine Leiter?«, wiederholte Paulo.
    »Die Holzleiter, die da hinten an der Mauer stand.«
    »Ich weiß nichts von einer Leiter.«
    »Oh doch, das tust du. Ihr beide wisst es. Deshalb seid ihr doch hier.«
    »Mein Vater hat mich mit einer Nachricht vom Schlachthof hergeschickt.«
    »Das ist gelogen. Dein Freund und du, ihr habt hier im Hof rumgeschnüffelt.«
    »Sein Vater hat gesagt, er soll ein Paket Fleisch hier abliefern, und ich habe ihn begleitet.«
    »Ihr hattet aber kein Paket dabei, als ihr hier hereingekommen seid.«
    »Weil ich es schon beim Pförtner abgegeben habe.«
    »Gib mir das Seil. Es ist meins.«
    »Das Seil gehört uns«, erwiderte Paulo störrisch.
    »Ihr beiden seid mir gefolgt.«
    »Wir?« Eduardo war ehrlich überrascht.
    »Ja, ihr. Ich habe euch gesehen.«
    »Sie haben uns gesehen?«
    »Auf gar keinen Fall. Wir sind nie …«
    »Ihr seid in das Haus des Zahnarztes eingestiegen. Dann seid ihr mir bis hierher gefolgt.«
    »Wir … was?« Eduardo bemühte sich, empört zu klingen.
    »Ihr seid mir gefolgt, und dann habt ihr mein Seil mitgenommen.«
    »Ich bin gestern Abend überhaupt nicht aus dem Haus gegangen. Und Paulo darf nicht raus.«
    »Mein Vater bringt mich um, wenn ich nachts abhaue.«
    »Meine Mutter hat ein schwaches Herz. Ich würde mich nie bis morgens früh draußen herumtreiben.«
    »Ihr seid in das Haus eingestiegen, das von der Polizei versiegelt worden war. Ihr wart am Tatort.«
    »Das stimmt nicht!«, protestierte Eduardo.
    »Wir haben bloß davorgestanden.«
    »Genau. Wir haben das Haus von außen überwacht. Um zu sehen, was passiert.«
    »Ihr habt alles durchwühlt. In Dona Anitas Unterwäsche gekramt.«
    »Wir haben die ganze Zeit vor dem Haus gestanden.«
    »Ihr habt den Tatort betreten. Ihr seid durch das Küchenfenster oder das Badezimmerfenster eingestiegen. Ihr wart in den Zimmern und im Labor, habt die Schränke und die Schubladen geöffnet. Ihr habt Beweisstücke verrückt. Vielleicht habt ihr sogar was verschwinden lassen.«
    »Wir sind keine Diebe!«
    »Ihr habt mein Seil gestohlen.«
    »Wir haben es nicht gestohlen.«
    »Es ist runtergefallen, als ich daran hochklettern wollte.«
    »Dann gib es mir zurück.«
    »Woher sollen wir wissen, ob es wirklich Ihnen gehört?«
    »Was hattet ihr im Haus des Zahnarztes verloren?«
    »Nichts.«
    »Es ist nur, weil Antonio, mein Bruder, gesagt hat, dass die Frau vom Zahnarzt …«
    »Was habt ihr gesucht?«
    »Sein Bruder hat alles Mögliche über die Frau des Zahnarztes erzählt, und da ist Paulo zu mir gekommen …«
    »Und dann haben wir uns überlegt, dass er, also der Zahnarzt, dass er doch so klein und alt ist und dass – also, nehmen Sie es nicht persönlich –, jedenfalls haben wir uns gedacht, dass so ein alter Mann keine …«
    »Gib mir das Seil.«
    »Wir haben beim Zahnarzt nichts mitgehen lassen, das können Sie uns glauben«, beteuerte Eduardo.
    »Sag deinem Freund, er soll mir das Seil geben.«
    »Gefunden ist nicht geklaut.«
    »Wissen eure Eltern, dass ihr euch nachts in der

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