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Der letzte Tag der Unschuld

Der letzte Tag der Unschuld

Titel: Der letzte Tag der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edney Silvestre
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voller Blut?«
    »Ja, alles!«, rief Eduardo aus.
    »Ihre Kleider, das Gras rundherum, der Schlamm, alles hier, hören Sie, alles hier war voller Blut!«
    Wie er vermutet hatte. Aparecida war also nicht woanders getötet und hier nur abgelegt worden.
    »Und dann gleich hier, ganz in der Nähe«, Eduardo zeigte auf die Stelle, »lag ein roter Schuh von ihr, und der Absatz war abgebrochen.«
    »Das weiß ich gar nicht mehr.«
    »Aber ich weiß es noch genau.« Eduardo ging drei Schritte und markierte die Stelle. »Genau hier.«
    Ubiratan ging zu ihm.
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    »Und die Leiche lag dort, wo Paulo steht?«
    »Ja, da drüben.«
    »Ein ganzes Stück weg. War einer der Füße nackt?«
    »Ja, und der Schuh, der mit dem abgebrochenen Absatz, lag hier. Der Absatz war ganz schön hoch, viel höher als die Absätze meiner Mutter. Hoch und dünn. Und er lag hier im Matsch, steckte im Schlamm fest. Weil es in der Nacht ein bisschen geregnet hatte. Weißt du noch, Paulo?«
    »Ich erinnere mich an den Regen. Und an den nackten Fuß.«
    Sie muss gestolpert sein, dachte Ubiratan. Der Absatz ist abgebrochen, als sie fiel. Aber warum ist sie durch den Schlamm hierhergelaufen, wenn sie ein Schäferstündchen im Auto hatte? Und sie war angezogen. Was war das für ein Rendezvous?
    »Ihre Bluse war zerrissen«, erklärte Paulo. Er hatte wohl laut gedacht, ohne es zu merken.
    »Und ihr BH war in der Mitte durchgeschnitten«, fügte Eduardo hinzu.
    »Und die Brust … na ja, Sie wissen schon.«
    »Ja, ich weiß«, stimmte er zu und bückte sich, um den Boden rundum in Augenschein zu nehmen. »Sie könnte gestolpert sein, weil sie gerannt ist. Davongerannt vor dem Mann, mit dem sie zum Mangowäldchen gekommen war.«
    Aber wovor war sie geflohen? Wenn sie mit ihm hierhergekommen war, dann, weil sie ihm vertraute. Sie hatte ihn gut gekannt. Hatte sich lieber hier mit ihm getroffen als bei den von ihrem Mann arrangierten Treffen mit anderen Männern. Hatte er ihr mehr bedeutet als die anderen? War er ein heimlicher Liebhaber der Frau gewesen, die alle für Allgemeingut hielten? Was war zwischen den beiden vorgefallen? War es Mord aus Eifersucht gewesen?
    »Hat er vielleicht schon im Auto angefangen, auf Aparecida einzustechen?«, überlegte Eduardo.
    Ubiratan war so in die Betrachtung der verbrannten Schößlinge vertieft, dass er nicht antwortete. Eduardo und Paulo sahen sich an. Eine Zeitlang sagte keiner der drei etwas.
    »Warum hat er keinen Revolver benutzt?«, fragte Paulo schließlich neugierig.
    »Ein Messer macht weniger Krach«, gab Eduardo zu bedenken.
    »Wer sollte sie denn hören? Um diese Jahreszeit ist hier kein Mensch. Und wir waren noch nicht da. Es gab nur ihn und sie.«
    »Es sei denn …« Eduardo kam eine mögliche Erklärung in den Sinn.
    »Es sei denn was?«
    »Ach, Blödsinn, vergiss es. Ich dachte nur, dass er ein Messer benutzt hat, weil er keinen Revolver hatte. Aber alle Männer hier haben einen Revolver. Sogar mein Vater hat einen. Der liegt in der gleichen Schublade wie die Pariser, das habe ich dir ja schon erzählt, weißt du noch? Die Schublade ist abgeschlossen. Aber ich habe sie mit einem Draht geöffnet, und da habe ich ihn gesehen. Es ist ein schwarzer Colt, ein …«
    Ubiratan sprang auf.
    »Das ist es!«, rief er aus. »Das ist es, das ist es!«
    »Das ist was?«
    »Was haben Sie gefunden, Ubiratan?«
    »Du hast es gefunden! Ihr habt es gefunden!«
    »Wir …«
    »… haben was gefunden?«
    »Die Spur! Ihr habt die Spur gefunden!«
    »Wir haben gar nichts gefunden.«
    »Doch, das habt ihr! Das ist die Spur: Alle Männer in dieser Stadt besitzen Feuerwaffen! Das ist glasklar!«
    »Aber Aparecida wurde erstochen«, erinnerte ihn Eduardo.
    »Eben.«
    »Was soll das heißen: eben?«, wollte Paulo wissen.
    Ubiratan drehte sich um und ging rasch auf den Bambushain zu, durch den sie gekommen waren.
    »Wir fahren sofort in die Stadt zurück!«
    Eduardo war sprachlos. Paulo rührte sich nicht.
    »Ich gehe hier nicht weg, bevor Sie mir nicht geantwortet haben: Was bedeutet ›eben‹?«
    »Wohin gehen Sie, Ubiratan? Wieso haben Sie es auf einmal so eilig?«
    Der Alte ging mit raschen, entschlossenen Schritten weiter. Eduardo rannte ihm hinterher.
    »Was für eine Spur haben wir gefunden? Von welcher Spur reden Sie?«
    Paulo, der sah, dass ihm nichts anderes übrig blieb, lief ihnen nach.
    »Warten Sie doch, Ubiratan! Wieso haben Sie es so eilig?«
    »Hast du nicht gesagt, jeder Mann in dieser

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