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Der letzte Tag der Unschuld

Der letzte Tag der Unschuld

Titel: Der letzte Tag der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edney Silvestre
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keines. Und dass Musik ihn beim Nachdenken störte. Gereizt drehte er sich zu Paulo um.
    »Was ist mit dir? Kannst du verstehen, worüber die da drinnen reden?«
    »Nichts«, antwortete Paulo, der näher an der vom Gorilla bewachten Tür stand. »Keinen Ton.«
    Ubiratan saß nun schon eine ganze Weile mit der Puffmutter hinter der verschlossenen Tür des weinroten Salons. Weder Eduardo noch Paulo verstanden, warum sie bei dem Gespräch nicht dabei sein durften. Und noch dazu dröhnte ihnen dieses Lied in den Ohren.
    Já tive a ilusão
    Que tinha um grande amor
    Talvez alguém pensou
    No amor que eu sonhei
    E que perdi também …
    Zwei mollige Frauen in gewagten engen Kleidern tanzten eng umschlungen am Fuß der Holztreppe, die in den zweiten Stock führte. In einem Sessel neben ihnen blätterte eine magere Mulattin in einer uralten Ausgabe der Zeitschrift O Cruzeiro . Das Titelbild zeigte einen als Harlekin verkleideten Mann, der einer Frau mit langen, sonnengebräunten Beinen zu Füßen lag. Eine der Überschriften lautete: »Beginn des Prozesses gegen Adolf Eichmann in Jerusalem«.
    »Wer ist Adolf Eichmann?«, fragte Paulo.
    »Reden die beiden immer noch?«, fragte Eduardo zurück, Paulos Frage ignorierend, auf die er keine Antwort wusste.
    »Ja. So viel kann ich hören. Aber nicht, worüber sie reden.«
    »Bestimmt geht es um diese Fotos.«
    »Aber wir haben gar kein Foto gesehen. Nirgendwo.«
    »Das ist wahrscheinlich das Geheimnis, das wir nicht wissen dürfen. Und darüber reden sie jetzt.«
    »Die sind aber schon eine Ewigkeit da drin!«
    … E assim vi que na vida
    Ninguém é de ninguém.
    Das Lied war zu Ende. Eduardo atmete erleichtert auf. Ein Werbejingle pries die Vorzüge von Doktor-Ross-Lebenspillen, Gesundheit und Freude für jedermann und rasche Hilfe bei Nierenschmerzen. Die rothaarige Prostituierte war inzwischen zu den Nägeln des anderen Fußes übergegangen. Paulo startete einen erneuten Versuch, das Ohr an die Tür zu legen, gab aber auf, als der Gorilla drohend die Hand hob. Er sah sich um. Von den Wänden blätterte die Farbe. Die Möbel waren alt, die Teppiche abgenutzt. Die Frauen liefen weder nackt durchs Haus, noch tranken sie laut lachend Zuckerrohrschnaps und setzten sich den Männern auf den Schoß. Keine von ihnen war hübsch. Es herrschte keine ausgelassene Feierstimmung, wie er sich das vorgestellt hatte.
    »Was ist das bloß für ein Foto?«, fragte er Eduardo.
    »Ich glaube, es ist nicht nur eins. Ich meine, er hätte was von Fotos gesagt. Ich bin mir sicher, dass er Fotos gesagt hat. Er hätte es uns erzählen müssen. Schließlich haben wir die Spur gefunden!«
    »Du hast sie gefunden, Eduardo.«
    »Nein. Wir haben sie gefunden. Das ist unsere gemeinsame Ermittlung. Von uns allen dreien. Es ist ungerecht, dass er uns aussperrt. Ich will wissen, um was es geht!«
    Im Radio begann ein neues schwülstiges Lied. Die Frau, die sich die Fußnägel lackierte, kannte dieses auch und sang inbrünstig mit.
    Fica comigo esta noite
    E não te arrependerás
    Lá fora o frio é um açoite
    Calor tu terás.
    Terás meus beijos de amor …
    Die Tür zum Salon ging auf. Ubiratan kam heraus; er wirkte erschöpft. Er sah nach links und rechts und schien nicht zu wissen, wo er war. Zwischen seinen Fingern hielt er eine erloschene Zigarette. Eduardo und Paulo liefen zu ihm.
    »Und jetzt?«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Lassen Sie sie festnehmen?«
    »Hat sie den Mord an Aparecida gestanden?«
    »Hat sie Ihnen das Messer ausgehändigt? War es ein Messer oder ein Dolch?«
    Quero em teus braços, querida,
    Adormecer e sonhar,
    Esquecer que nos deixamos
    Sem nos querermos deixar.
    Tu ouvirás o que eu digo …
    Ubiratan sah die beiden Jungen neben dem Radio und die Rothaarige, die ihre lackierten Zehennägel an der Luft trocknete und dabei sang. Neben ihr tanzten zwei Frauen schleppend miteinander. Eduardo und Paulo warteten auf seine Antwort.
    »Was macht ihr denn hier? Warum seid ihr nicht nach Hause gegangen?«
    »Wir haben hier auf Sie gewartet, was denn sonst!«
    »Warum durften wir das Gespräch nicht mit anhören?«
    »Warum haben Sie uns rausgeschickt?«
    »Worüber haben Sie geredet?«
    »Hat sie gestanden?«
    »Was ist auf den Fotos, die Sie vor uns geheim gehalten haben?«
    »Lassen Sie sie nun verhaften oder nicht?«
    Ubiratan packte sie bei den Schultern.
    »Ich muss wohin.«
    »Gehen wir!«
    »Ja, los!«
    »Nein! Ich muss alleine gehen.«
    »Was ist denn das schon wieder für eine

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