Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Mausoleum, das sich über ihren Köpfen im oberen Stock ausdehnte.
Wachsam blieben sie mitten in einem weiten Vorraum stehen, auf dessen Fußboden das Schachbrettmuster fortgeführt war. Rechts ging eine breite Marmortreppe nach oben. Die Lichtkegel der Taschenlampen und der Schein der Kameraleuchte huschten durch einen Raum, der wie die Lobby in einem Theater gebaut war, und fielen ab und zu auf einen der Rundbögen. Die überdimensionalen Bullaugen neben der Eingangstür, die sie schon von draußen gesehen hatten, waren verrammelt und wurden von schweren schwarzen Vorhängen verdeckt, die so lang waren wie Standarten. An allen vier Wänden, die bis unter die gewölbte Decke mit rotem Samt ausgeschlagen waren, hingen längliche
Art-déco-Leuchten aus grünem Glas. Es gab eine Maschine für Zuckerwatte, eine für Popcorn und direkt am Eingang sogar ein kleines Kassenhäuschen, dessen Chromverzierung glänzte wie die Stoßstange eines Straßenkreuzers. Daneben befand sich eine Garderobe, in der wohl schon lange keine Mäntel mehr gehangen hatten.
Jed rannte gebückt durch die Lobby bis zu den Eingangstüren und sah dabei ununterbrochen nach rechts zu der Treppe, die nach oben führte. Max humpelte hinter ihm her. Gemeinsam zerrten sie an den widerspenstigen Vorhängen, die die stählernen Sicherheitsgitter verdeckten. Längliche Lichtstreifen, die den aufgewirbelten Staub sichtbar machten, warfen ein von Schattengittern durchzogenes, grelles Licht auf den Boden des Foyers. Aber trotz der Helligkeit gab es noch immer keinen anderen Weg aus diesem Gebäude als zurück durch das Loch in der Hintertür. Kyle wollte schon vorschlagen, dass sie noch andere Fluchtwege einrichten sollten, als Jed mit angespannter Stimme flüsterte: »Raus hier. Hinter mir her.« Und wieder rannte er gebückt durch die Lobby, diesmal auf die Türen neben dem Speisesaal zu.
Kyle war froh, dass Jed als Erster die riesengroße Küche betrat, die Pistole im Anschlag, den Griff mit beiden Händen umklammert.
»Küche ist sauber!«
Und weiter ging es hastig durch Torbögen oder Türen mit verziertem Glas, Raum für Raum durch das Erdgeschoss, als erforschten sie das Wrack eines vergessenen Ozeanriesen, das seit einem Jahrhundert irgendwo in dunklen Gewässern konserviert wurde. Die hektischen Lichtkegel ihrer Taschenlampen ruckten jedes Mal, wenn sie einen neuen Raum betraten, einige angstvolle Sekunden lang unstet über Fußboden und Wände, bis klar war, dass keine Gefahr drohte. Jed eilte immer vorneweg.
Art-déco-Lampen und seltsam geformte Möbelstücke neigten dazu, sich plötzlich und ohne Vorwarnung in ihr Blickfeld zu
schieben, während Kyle immer wieder »Scheiße, Scheiße, was ist das?« vor sich hinmurmelte. Max’ keuchender Atem folgte ihm beständig. Schimmerndes Aluminium, glänzender Stahl, leuchtender Lack und schillerndes Bakelit warfen das Licht ihrer Lampen zurück und hinterließen eine Ahnung von der absonderlichen luxuriösen Einrichtung. Zickzackmuster und Zikkurate, Explosionen von Chrom und glitzernde Spiegel blitzten ihnen aus der Dunkelheit entgegen. Und an allen Wänden prangte das Pfauensymbol.
In den größeren Zimmern erschien ihnen die Dunkelheit zunächst so undurchdringlich, dass sie das Gefühl hatten, man könnte sie mit den Händen greifen. Oder sie hatten den Eindruck, die Düsternis würde von allen Seiten auf sie eindringen, und diese unangenehme Präsenz wurde noch von ihren Ängsten verstärkt. Bis sie schließlich die Vorhänge beiseitezerrten, manchmal mit beiden Händen gewaltsam daran rissen, wenn sie sich allzu widerspenstig gebärdeten.
Sie ließen die kalifornische Sonne ins Haus und enthüllten seine lange verborgenen Schätze. Das goldene Licht drang durch die Glastüren in die Lounge und ließ die Bar schimmern, und es schien, als sehnten sich diese Türen geradezu danach, die großartige Aussicht freizugeben. Elegante Linien waren wieder zu sehen, eine Treppenpyramide führte zu einem rechteckigen offenen Kamin. Glänzende Messingrahmen umgaben Bilder von märchenhaften Nymphen und Nixen. Kostbare Sessel mit Bezügen aus Samt oder Seide umringten glänzende, lackierte Tischchen, die darauf zu warten schienen, dass sie endlich wieder von prominenten Gästen in Besitz genommen wurden.
Als die umherschweifenden Lichtkegel in die eisige Stille des abgedunkelten Salons eindrangen, warfen die Lüster unter der Decke bläuliche Lichtreflexe zurück. Die reinigenden Strahlen der Sonne trafen
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