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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Antwort kam ein weiteres Winseln, es klang zischender und hündischer, weniger nach einem Vogel, und kam aus größerer Entfernung, vielleicht direkt über ihnen, irgendwo aus den dunklen Gefilden des riesigen Hauses.
    Jed und Max starrten die Treppe hoch. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie hielten die Pistolen im Anschlag. Max’ Hände zitterten, als hätte er Parkinson. Und als das Licht ihrer Taschenlampe sich von dort entfernte, wo sie standen, breitete sich eine intensive Schwärze um sie herum aus, die Kyle vollkommen undurchdringlich vorkam. Um nicht in Panik zu geraten, richtete Kyle den Scheinwerfer seiner Kamera in die andere Richtung des Korridors.
    Etwas huschte am Rand des Lichtkegels ganz weit hinten durch den Flur, um dem blassen Schein zu entgehen. Hüpfte hin und her. Kurz waren die Umrisse einer Gestalt auf allen vieren zu erkennen, dünn wie ein Windhund, aber mit langen weißen Lumpen bedeckt. »Jungs!« Einen Augenblick lang schaute dieses Ding ihn aus kühlen trüben, vielleicht sogar blinden Augen an. Der dunkle Schatten eines Kopfes bewegte sich, und dünnes, flirrendes Haar waberte unstet.
    Jed und Max wirbelten herum und richteten ihre Lampen auf die Stelle, die von der Kamera angestrahlt wurde. Aber es
war nichts mehr zu sehen, nur der leere Korridor. »W… was war das?«, stammelte Max.
    Kyles Mund war so ausgetrocknet, dass die Zunge am Gaumen klebte. »Einer von ihnen. In … in … ich weiß nicht. Etwas Weißem.«
    »Jetzt ist es weg«, sagte Jed. »Jedenfalls wissen sie, dass wir hier sind. In welche Richtung ist es verschwunden?«
    Kyle schluckte. »Nach links. Nach hinten.«
    »Diese Stockwerke sind wie Schiffsdecks gebaut. Die Flure laufen an der Außenwand des Gebäudes entlang. Wenn diese Türen hier alle verschlossen sind, dann gibt es nicht viele Möglichkeiten für sie zu flüchten. Das ganze Geschoss ist ein großes Quadrat. Also werden wir irgendwann auf Spuren stoßen. Los geht’s!«, kommandierte Jed und eilte los. »Max macht die Nachhut. Behalte alles im Blick, damit uns nichts von hinten überrascht.«
    Damit hatte Jed genau das Problem beschrieben, das auf sie zukam, dachte Kyle. Diese Dinger konnten sie in die Zange nehmen. Doch seine Angst war zu groß, um Bedenken zu äußern. Bis Max an ihm vorbeirannte. »Max, du musst hinter uns schauen. Hinter uns!« Aber Max war viel zu sehr darauf bedacht, dicht bei Jed zu bleiben. Ihm war egal, dass er Kyle auf diese Weise schutzlos der hinter ihnen liegenden Dunkelheit auslieferte oder vielmehr dem, was darin herumkroch.
    »Bleib auf deinem Platz, Max«, befahl Jed, aber er sprach jetzt sehr leise.
    »Ja, ja.« Max gehorchte, doch er schien nicht damit einverstanden zu sein.
    Am Ende des Quergangs warf Jed einen Blick in beide Richtungen des Korridors. Dann drehte er sich um, rannte nach links und verschwand aus ihrem Gesichtsfeld. Ließ sie einfach zurück. Sie hörten, wie seine Schritte sich entfernten, und sahen, wie das Licht seiner Taschenlampe immer schwächer wurde, bis es nicht mehr zu erkennen war.
    »Jed!«, schrie Max laut auf. Es klang wie ein Quieken. »Schnell, hinterher!«
    Offenbar waren doch nicht alle Gästezimmer verschlossen. Sie hörten, wie hinter Max eine Tür geöffnet wurde, und Kyle wäre beinahe in Ohnmacht gefallen. Sie drehten sich gleichzeitig um. Der schwache, kränkliche Lichtschein ihrer Lampen konnte den höhlenartigen Gang hinter ihnen nur teilweise erhellen. »Um Himmels willen«, stieß Kyle hervor.
    Max feuerte wahllos drei Schüsse ab. Ein Stück Putz splitterte von der Wand. Der Teppich wurde aufgerissen. Aber das Ding, das sich da vom Fußboden erhob, zuckte nicht einmal. Ein ausgetrockneter, zahnloser schwarzer Schlund öffnete sich. Einen Moment lang brachte keiner von ihnen ein Wort heraus, kein Schuss ertönte. Die Erde schien sich nicht mehr zu drehen angesichts dieses Wesens und dem, was seinen verwesten Körper und seinen Kopf umgab.
    Eine weiße Perücke. Sie hing schief über einem verschrumpelten Gesicht, dessen Proportionen verkleinert waren wie bei einem Schimpansen und so schwarz wie uraltes Leder. Es waren die ausgemergelten Überreste eines kleinen Menschen, der aussah, als hätte er sich extra für diesen Anlass verkleidet. Einen langen Augenblick starrten sie mit grotesker Faszination dieses Wesen an. Sahen angeekelt auf seine Kleidung, ein Nachthemd aus Satin, das vorne mit Blut besudelt war. Und dann schrie es auf, wütend, wie ein Affe und sprang auf

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