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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Mal empfand er so etwas wie Mitgefühl mit diesem alten Knaben.
    »Einmal waren die Eier der Hühner das Einzige, was wir noch zu essen hatten. Und Hundefutter. Oh, und die Getreidesaat, die wir säckeweise gekauft hatten, um die Hühner damit zu füttern.«
    »Sie haben das Hundefutter und die Körner für die Hühner gegessen?«
    Bruder Gabriel nickte. »Wir haben versucht, Brot aus den Körnern zu backen. Hier in diesem Raum. Es hat nicht funktioniert. Schwester Katherine hat uns verboten, draußen zu essen.«
    »Was hat sie denn gegessen, Bruder Gabriel?«
    »Ich habe sie nie beim Essen gesehen. Sie kam nie hierher.« Bruder Gabriel warf einen verunsicherten Blick über die Schulter auf die Mauer hinter sich, als würde er erwarten, dass sich dort eine Tür öffnete. Dann fing er sich wieder.
    »Angeblich hat sie sich sehr reichhaltig und abwechslungsreich ernährt«, warf Kyle ein. »Teure Leckereien, dort drüben in ihrer gemütlichen kleinen Fermette.«
    Bruder Gabriel nickte. »Das hat man sich damals auch erzählt. Wir hatten noch irgendwelche selbst gezogenen Rüben und Obst, die unseren Speiseplan ein bisschen abwechslungsreicher machten. Aber alles war streng rationiert. Es war sehr schwierig.«
    »Sie sagten eben ›selbst gezogene Rüben‹. Wie haben Sie die denn angepflanzt? Haben Sie versucht, hier Landwirtschaft zu betreiben?«
    »Wir, die Jünger, haben versucht, mit den Händen den Boden zu bearbeiten. Mit Steinen und Hölzern. Der Pflug und der Karren waren da, aber die waren schon kaputt, als wir hier ankamen. Die konnten wir nicht benutzen.«
    Kyle nickte und lächelte vor sich hin. Gut. Alles gut. Bärtige, glückselige Menschen, die auf ihre Erlösung warteten. Diese Formulierung notierte er sich kurz, um sie später beim Voice-over einzufügen.
    »Bruder Gabriel, die Sektenmitglieder, die diesen Hof noch vor der Spaltung verließen, von denen hat Levine behauptet, sie seien, ich zitiere, ›klapperdürr und in Lumpen gekleidet‹ gewesen. Stimmt das?«
    Bruder Gabriel nickte. »Wir waren alle völlig unterernährt. Ich hatte Skorbut. Ich erinnere mich noch an den Arzt in England, der völlig erstaunt war. Einen Fall von Skorbut hatte er noch nie gehabt.«
    »Bruder Gabriel, wussten Sie damals, als Sie hier lebten, dass das Vermögen der Letzten Zusammenkunft insgesamt zwei Millionen Pfund betrug?«
    »Nein, das wusste ich nicht.«
     
    Drei Werkbänke standen noch immer in der Werkstatt. Eingepasst in die alten Stallungen, in denen einst Rinder oder vielleicht Pferde gehalten wurden, als es noch ein richtiger Bauernhof gewesen war. Hohe Haufen welker Blätter lagen auf dem Boden herum, vermischt mit Schutt und Mörtel. Auch hier war das Fenster von innen nach außen zerschlagen worden.
    Bruder Gabriel weigerte sich einzutreten. Er hatte ziemlich nervös ein weiteres kurzes Statement vor der Kamera im Freien gegeben und erzählt, dass hier »einfache Schmuckstücke wie auch Möbel« hergestellt wurden. Vor allem aber sei die Werkstatt dazu dagewesen, die Eltern zu beschäftigen, die von ihren Kindern getrennt waren. Ihnen wurde eine ganze Reihe »sinnloser Beschäftigungen« aufgetragen. Sie mussten zum Beispiel unter den schwarz angelaufenen Holzbalken und den Brettern hoch oben unter der Decke eine Reihe kleiner Lampen anbringen. Die Lampen waren inzwischen herabgefallen und lagen kaputt im Dreck.
    Im Hundezwinger-Schulgebäude war mehr Licht, weil es Lücken in den Wänden gab und Dachziegel heruntergefallen waren, die nun draußen zwischen dem wuchernden Unkraut lagen. Dan filmte das Innere mit beiden Kameras, einmal mit natürlichem Licht und einmal mit einer Reihe kleiner Lampen, die er auf dem Fußboden platzierte.
    Levine behauptete, einige der Kinder hätten das Privileg genossen,
direkt von den Führern, also von den Sieben und Katherine selbst, unterrichtet zu werden. Er behauptete ebenfalls, Schwester Katherine sei kinderlos gewesen und hätte es anderen Frauen übel genommen, wenn sie Kinder bekamen. Als Bruder Gabriel darauf angesprochen wurde, bestätigte er, dass Katherines Verhalten angesichts der Fruchtbarkeit anderer Frauen »wohl so ähnlich« gewesen sei, weigerte sich aber, näher darauf einzugehen.
    Da er sich weigerte, in den Schulzwinger zu gehen, filmten sie Bruder Gabriel auf der Türschwelle. Kyle bat Dan, die Aufnahme einmal als Close-up und einmal als Halbnahe aufzunehmen, um Gabriel und die Scheune in der gleichen Einstellung zu haben. Das war eine gute Idee,

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