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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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denn aus dieser Perspektive wirkte das Bild eines verlotterten alten Mannes, der in der Türöffnung stand und von blassem Licht angestrahlt wurde, ziemlich aussagekräftig. Und wieder bemerkte Kyle, wie Bruder Gabriel das Bedürfnis unterdrückte, einen Blick über die Schulter ins Gebäude zu werfen, das er die ganze Zeit, seit sie die Kamera darauf gerichtet hatten, nervös beäugte. Kyle beobachtete ihn durch den Sucher der zweiten Kamera und hatte mit einem Mal das unangenehme Gefühl, jemand könnte jeden Moment in der Dunkelheit hinter dem Alten auftauchen. Aber das Bild gefiel ihm sehr. Ohne dass es beabsichtigt war, half es beim Spannungsaufbau.
    Kyle las die Fragen vom Skript ab, das er am vorherigen Tag geschrieben hatte. Er hatte den Text geändert, nachdem er Levines Buch in weniger als einer Woche zum zweiten Mal gelesen hatte. »Bruder Gabriel, es wurde behauptet, dass mindestens drei Kinder und sechs Erwachsene auf diesem Hof krank wurden und starben. Das behauptet eine Zeugin, die Irvine Levine befragt hat. Eine Frau, die sich weigerte, ihren Namen zu nennen, und die an einer Überdosis starb, noch bevor Levine die Tonbandaufnahme ausgewertet hatte. Wissen Sie, wer das war?«
    »Ich … ich bin mir nicht sicher. Aber ich hatte immer den Verdacht, dass es Schwester Athena gewesen ist. Sie war auch den
größten Teil des zweiten Jahres noch hier. Und er bot Menschen, denen nichts mehr geblieben war, Geld an.«
    »Levine schreibt, dass ›Gebete allein nicht ausreichten, um sie zu heilen‹. Es gibt keine Beweise für diese Todesfälle, sie wurden nie untersucht, und das Thema war heiß umstritten während des Prozesses wegen Diffamierung im Jahr 1974. Aber was sagen Sie zu diesen Behauptungen? Levine schreibt, die Sekte sei nach Amerika geflüchtet, um den Nachforschungen zu entgehen, die von den Familien der Verstorbenen in England in die Wege geleitet wurden.«
    Bruder Gabriel seufzte. Ungeduldig. Nervös. »Sie müssen bedenken, dass es auch keine Beweise für die Geburt der Kinder gab. Keins der Kinder, die in der Sekte geboren wurden, hatte eine Geburtsurkunde. Wir hatten nicht mal eine Hebamme, obwohl drei Frauen im ersten Jahr Kinder bekamen. Sie waren noch in London gezeugt worden, aber die Mütter waren nicht sicher, wer die Väter waren. Zwei weitere Frauen waren schwanger, als ich fortging.« Bruder Gabriel deutete in die dunkle Türöffnung. »Als ich noch hier war, wurden drei Babys dort drinnen geboren. Während ich hier lebte, ist keins von ihnen gestorben. Und auch kein Erwachsener.«
    »Bruder Gabriel, von den fünf Kindern, die in Arizona ins Heim gebracht wurden, waren nur zwei auf diesem Hof geboren worden. Die anderen drei kamen in den Staaten zur Welt. Was ist dann aus den anderen drei Kindern geworden, die hier in Frankreich zur Welt kamen?«
    Bruder Gabriel schluckte. »Ich weiß es nicht. Wie denn auch? Im zweiten Jahr war ich nicht mehr hier. Die Leute kamen und gingen, ständig stiegen welche aus. Niemand ist hier 1970 gestorben. Es war eine schwere Zeit. Viele wurden krank. Wir hungerten wirklich. Aber es ist niemand umgekommen.«
    »Sie wissen ja, dass man die Eltern der Kinder, die in der Mine gefunden wurden, nie ausfindig gemacht hat. Den Erzählungen
von Flüchtlingen zufolge, sollen einige Personen in der Wüste ›ganz einfach verschwunden‹ sein. Wenn Sie an das denken, was Sie hier erlebt haben, glauben Sie, das könnte wahr sein?«
    »Nachdem ich weggegangen bin, hatte ich keinen Kontakt zum Tempel der Letzten Tage! Wie oft muss ich das denn noch wiederholen? Im Jahr 1970 waren wir immer noch die Letzte Zusammenkunft.« Plötzlich schaute Bruder Gabriel zu dem kleinen Wäldchen und wurde leise. »Ich weiß nichts … darüber.«
    »Aber wenn jemand hier gestorben ist, in der Zeit, nachdem Sie schon fort waren, oder später in der Wüste – glauben Sie, dass Schwester Katherine die Behörden darüber informiert hat?«
    »Das bezweifle ich.«
    »Sie bezweifeln das?«
    »Was weiß ich denn! Es ist völlig sinnlos, mich über Sachen auszufragen, von denen ich nichts weiß. Können wir jetzt aufhören?«
     
    Dan folgte Bruder Gabriel auf die Wiese, um ihn zu beruhigen. Bruder Gabriel war direkt nach dem Interview vor dem Schulgebäude davongetrippelt und weigerte sich nun, weiter mit Kyle zu sprechen. Der hatte versucht, den Schaden wiedergutzumachen, aber ohne Erfolg. Als Bruder Gabriel sich oberhalb des Hofs ins Gras gesetzt, ungefähr auf halbem Weg zu dem

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