Der letzte Tiger
dessen Australien-Pläne gesagt.
»Versprich Quynh, wir halten seinen Namen aus der Ermittlung heraus«, sagte Ly.
»Okay. Und was machen wir mit der Baronin?«
»Die Baronin?« Ly zog die Schultern hoch. »Keine Ahnung. Nichts vermutlich. Ohne den Parteikommissar kommen wir nicht an sie ran.« Um in der Provinz Son La zuzugreifen, brauchten sie seine Vollmacht. Und vor allem brauchten sie den Rückhalt des Parteikommissars, um eine Person mit ihren Beziehungen festzunehmen.
Sie wollten gerade aufbrechen, als Parteikommissar Hung vor der Tür stand. Jetzt würde er auch noch ihre Arbeit innerhalb Hanois unter fadenscheinigen Gründen stoppen, dachte Ly. Lans Blick nach zu urteilen, befürchtete sie dasselbe.
Mit gebeugtem Rücken blieb der Parteikommissar in der Tür stehen, wobei er sich mit einer Hand am Rahmen abstützte. »Was sitzen Sie hier rum? Ich denke, Sie arbeiten an den Festnahmen.«
»Wir dachten, Sie wollten das nicht«, sagte Ly etwas irritiert.
»Unsinn. Wir werden ein Exempel statuieren. Die internationale Gemeinschaft soll sehen, wie ernst es uns ist, die Gesetze für den Tierschutz umzusetzen.«
»Ja?«, fragte Lan vorsichtig.
»Natürlich«, versicherte der Parteikommissar. »Der Tierschutz ist doch unsere Verantwortung.«
Als ob ihn seine Verantwortung je interessiert hätte, dachte Ly.
Lan war aufgestanden, reichte dem Parteikommissar ihren Arm und half ihm in einen Sessel. Er atmete hörbar auf, als er endlich saß, und redete dann auch gleich weiter: »Für den Einsatz gegen diese Baronin in Na Cai bekommen wir Unterstützung vom Ministerium für Innere Sicherheit. Eine Spezialeinheit ist bereits angefordert. Und ich habe mit einigen Parteigenossen telefoniert. Diejenigen, die bislang ihre Hand über diese Baronin gehalten haben, werden sich zurückziehen. Und die Polizei vor Ort wird nicht informiert. Sie wissen ja, wie das läuft.«
Ly nickte, er war zu überrascht, um etwas zu sagen. Daswar ja ein Vorgehen wie bei dem Fall mit dem New Century vor ein paar Jahren. Der Hanoier Nachtclub war berüchtigt gewesen für Drogen und Prostitution. Die von der Inneren Sicherheit hatten den Laden hochgehen lassen, ohne dass die Polizei in Hanoi darüber informiert gewesen war. Zu viele der Polizisten hatten selbst auf der Lohnliste der Nachtclubbetreiber gestanden.
»Wir werden außerdem Hand in Hand mit unseren brüderlichen Freunden aus Laos gegen diese Tierschmuggler vorgehen. Internationale Kooperation, das sieht immer gut aus. Unseren Kritikern werden wir es zeigen«, sagte der Parteikommissar.
Ly musste sich ein Lachen verkneifen. Es war unglaublich. Es kam wirklich nicht oft vor, dass der Parteikommissar seine Beziehungen einsetzte, um ihn bei einer seiner Ermittlungen zu unterstützen. Meist verlief es doch wie bei der Zoodirektorin genau andersherum. Und ausnahmsweise ärgerte Ly sich nicht über den Hang seines Chefs, immer auf das Ansehen bedacht zu sein.
»Und Doktor Song?«, fragte Ly.
»Da bekommen Sie Männer von der mobilen Einsatztruppe. Seine Festnahme sollte ja wohl kein Problem sein. Beziehungen hat er ja, wie ich das sehe, keine.«
Der Parteikommissar ordnete an, Lan solle bei dem Einsatz gegen die Baronin dabei sein. Das passte natürlich perfekt, dachte Ly. Dieser großangelegte Einsatz in Na Cai würde Aufsehen erregen. Und gerade war ja erst die Verordnung herausgegeben worden, mehr hübsche Polizistinnen in den Außendienst zu schicken. Aber Ly war es nur recht. Er wollte sich mit Tu zusammen um DoktorSong kümmern. Er war es, an dem er in erster Linie interessiert war.
Jackys Verhaftung würden zwei von Tus Leuten von der Umweltpolizei übernehmen.
*
»Na, siehst du. Geht doch«, flüsterte Ly Lan zu, als sie gemeinsam das Präsidium verließen. »Vielleicht hat Tu ja so doch noch Lust, bei uns weiterzumachen.«
Lan schenkte ihm nur ein etwas trauriges Lächeln.
*
Die Adresse, zu der Tu Doktor Song gefolgt war, war die Nummer 21 in der Tran-Quy-Cap. Die Straße lag hinter dem Hauptbahnhof und verlief parallel zu den Abstellgleisen. Das Haus war, genau wie Tu schon angenommen hatte, unbewohnt. Lan hatte, während sie schon auf dem Weg nach Na Cai war, noch einige Telefonate geführt und herausgefunden, dass der Eigentümer seit geraumer Zeit versuchte, es für über tausend Dollar pro Monat an Ausländer zu vermieten. Das war viel Geld für ein Haus mit nur drei Etagen und einem Grundriss von kaum vierzig Quadratmetern. Vor allem für dieses schmuddelige
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