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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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er endlich sprach.
    »Sie hat dich wirklich geliebt«, sagte er. »Sie hat es geschworen. Als ich herausfand, dass sie eine Lesbe ist, wollte ich sie umbringen, aber dann hat sie gesagt, dass sie dich wirklich liebt, und ich fand, dass es dadurch akzeptabel wurde. Ich meine, man sucht sich nicht aus, wen man liebt. Das tut keiner.«
    »Das wohl nicht«, erwiderte Caxton, unsicher, was er erwartete. Eine Umarmung? Ein Andenken an seine Schwester? »Danke fürs Bringen«, sagte sie, und er nickte, und das war es dann.
    Sie blinzelte eine zur Hälfte geformte, unerklärliche Träne weg. O Gott, die Fahrt – sie musste aufpassen, wo sie hinfuhr. Sie hatte gerade die Abzweigung verpasst. Sie hielt an und schaute nach hinten. Niemand war auf der Straße. Langsam setzte sie zurück, bis sie auf dem richtigen Weg war. Dann fuhr sie nach Hause. In der Auffahrt schaltete sie den Motor aus. Die Scheinwerfer erloschen, und alles war dunkel. Sie saß in dem sich abkühlenden Auto und starrte das dunkle Haus an. Deanna hatte immer ein Licht für sie angelassen.
    Es war das Winseln der Hunde, das sie in Bewegung brachte. Sie hatte sie vergessen – wie hatte sie sie vergessen können? Aber so war es. Sie hatte ihre Hunde vergessen, und sie hatten seit über einen Tag nichts mehr gefressen. Wasser bekamen sie automatisch über eine Anlage, aber sie hatten nichts gefressen. Sie mussten am Verhungern sein. Caxton ging gar nicht erst ins Haus, sondern rannte zum Zwinger und schnappte sich einen Zwanzig-Pfund-Sack Hundefutter. Sie schaltete das Licht im Zwinger an, und ihr entfuhr ein Keuchen.
    Die Hunde sahen unversehrt aus – aber irgendetwas hatte versucht, ihre Käfige aufzureißen. Die Greyhounds lagen zusammengerollt hinter verbogenen Gittern, wimmerten und jaulten furchterfüllt und verwirrt. An einem Eisenstab in der Nähe klebte Blut und etwas, das wie ein Stück Stoff aussah. Caxton trat näher und berührte den beschädigten Käfig. Es war kein Stoff. Es war verwestes Fleisch, das in der Eile abgerissen war. Ein Halbtoter war hier gewesen, und das war gar nicht so lange her. Offensichtlich hatte er die Hunde umbringen wollen, doch stattdessen hatte er sich den Arm aufgerissen.
    Sie ließ die Hunde heraus und umarmte sie; schüttete ihnen Futter in die Schüsseln. Der Hunger siegte über ihre Verunsicherung, und sie fraßen gierig. Caxton drückte Vitamine aus einer Plastiktube in das Trockenfutter. Dann ging sie zurück zum Wagen, um die Beretta und die Packung Dum-Dum-Geschosse zu holen. Mit nervösen, halb erfrorenen Fingern lud sie die Pistole, dann ging sie zur Vordertür des Hauses.
    Warum waren sie gekommen? Sie hätte erwartet, dass sie das Haus in Frieden lassen würden, wenn es leer stand. Sie konnte es sich nicht erklären. Sie berührte den Türknauf und merkte sofort, dass nicht abgeschlossen war. Vorsichtig, darauf gefasst, dass jemand direkt hinter der Tür lauerte, schaltete sie die Taschenlampe an und trat ein.
    Kaltes Schweigen wehte an ihr vorbei, kühle Luft blies durch das Haus. Sie drang durch die Ränder der Sperrholzplatte vor dem Küchenfenster, dem Fenster, das Deanna getötet hatte. Sie wehte durch den Korridor zum Schlafzimmer. Caxton griff nach dem Lichtschalter, aber es passierte nichts, als sie ihn nach unten drückte. Ein Blick zur Lampe verriet ihr, dass sämtliche Glühbirnen zerschlagen waren.
    Selbst in der Dunkelheit konnte sie sehen, dass das Haus verwüstet war. Überall im Korridor lag Bettwäsche auf dem Boden, als hätte man sie vom Bett gerissen. Teller und Töpfe und Bratpfannen türmten sich in einer Ecke zu einem Haufen. Ein paar waren zerbrochen, aber es war keine methodische Zerstörung. Wer auch immer das getan hatte, war entweder überhastet oder blindwütig vorgegangen. Bilder waren von den Wänden gerissen worden. Ihr Taschenlampenstrahl traf eines und blendete sie, als das Glas reflektierte. Sie schaute genauer hin. Es war ein Bild von Deanna und ihr auf einer Hundeschau; beide bückten sich und lockten Wilbur über einen Schwebebalken. Gott, was war das für ein wunderbarer Tag gewesen. Das Glas war gesprungen und der Rahmen zerbrochen. Sie fischte das Foto heraus und schob es in die Hosentasche, in einem hilflosen Versuch, wenigstens etwas zu retten.
    Das Schlafzimmer war ein Saustall. Scharfe Krallen oder Messer hatten die Matratze aufgeschlitzt und Schaumgummistücke im ganzen Raum verteilt. Caxtons Kleiderschrank war durchwühlt worden, der größte Teil ihrer

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