Der letzte Vampir
Klux Klan und der Neonazis. Sonst sah man im Bundesstaat an fast jeder Straße Plakatwände mit Werbung für Penn’s Cave oder Einkaufszentren, aber hier gab es kaum welche. An ihrer Stelle sah man kleinere, weniger bunte, von den örtlichen Kirchen gesponsorte Schilder mit Botschaften wie »DIENE Deinem HERRN voller Furcht« und »Welche SÜNDE hast Du heute begangen?« Sie befanden sich in Zentral-Pennsylvania, die Leute von außerhalb auch wenig schmeichelhaft als »Pennsyltucky« bezeichneten – eine Verschmelzung von »Pennsylvania« und »Kentucky«. Gemeint war damit das Land der Hinterwäldler, Waffenfetischisten und reaktionären Spinner, wo der Bruder seit Generationen die Schwester heiratete.
Sie trat ein. Sie kannte das Restaurant. Es war neutrales Territorium, wo die Talbewohner in Frieden zusammenkommen konnten. Das Angebot des Peachey’s richtete sich an Farmer, die sich für einen Tag voll schwerer, körperlicher Arbeit stärken wollten, und an Leute, die große Portionen zu schätzen wussten und nicht auf ihr Cholesterin achteten. Arkeley schritt das Buffet ab und lud sich Brathähnchen, deutschen Kartoffelsalat und süße, gebackene Bohnen in dicker Soße auf. Caxton schob sich in eine Nische mit künstlicher Holztäfelung und bestellte eine kleine Diätlimonade. Sie betrachtete eine Amish-Familie auf der gegenüberliegenden Seite: ein graubärtiger Patriarch mit einem Leberfleck auf der Wange; seine Frau, deren Gesichtshaut an einen verschrumpelten Apfel erinnerte, und zwei pausbäckige Söhne, die hellblaue Hemden und breite Strohhüte trugen. Ihre Augen waren geschlossen, die Hände gefaltet. Sie sprachen ein Tischgebet. Vor ihnen standen Teller voller Schweinekoteletts und überquellende Schüsseln mit Kartoffelbrei und brauner, klebriger Soße.
Arkeley schob sich mühsam in die Nische und widmete sich seinem Teller. Beim Anblick des fettigen Huhns, das von Arkeleys Zähnen zerfetzt wurde, musste Caxton wegschauen. Sie musterte eine Frau in einem gewaltigen Sweatshirt mit einem heulenden Wolf auf der Vorderseite, die sich rote Götterspeise in den Mund schaufelte. Caxton schloss die Augen und versuchte, ganz normal zu atmen.
»Sie trinken Blut, so wie wir essen«, sagte sie. Sprechen half ihr, das ganze Essen um sie herum zu ignorieren. »Sie haben davon gesprochen, dass sie immer mehr brauchen, je älter sie werden. Wie diese Monster auf Lares’ Boot.«
Er nickte. »Malvern müsste in Blut baden, um sich zu regenerieren. Man würde ein halbes Dutzend Opfer brauchen, um sie wiederherzustellen, und sie würde in der folgenden Nacht wieder genauso viel Blut brauchen. Und in jeder weiteren Nacht wieder.«
»Mein Gott«, sagte Caxton. Der Amish auf der gegenüberliegenden Seite warf ihr einen finsteren Blick zu, weil sie gerade Gott gelästert hatte. Sie unterdrückte den Drang, ihm den Mittelfinger zu zeigen. »Sie brauchen immer mehr? Das muss sich doch nach einer Weile einpendeln, oder nicht? Sonst gibt es doch irgendwann nicht mehr genug Blut auf der ganzen Welt.«
»Sie sind dem Bösen noch nie zuvor begegnet, oder?«, fragte Arkeley. Er hielt einen mit Ambrosia-Obstsalat beladenen Löffel in die Höhe. »Nicht dem wahren Bösen.«
Sie dachte eine Weile darüber nach. Die Schrecken der Jagdhütte verfolgten sie noch immer. Sie musste nur die Augen schließen, um sie wieder vor sich zu sehen. Selbst jetzt noch. Sie war schon zuvor Killern begegnet, menschlichen Killern, doch die hatten ihr keinen solchen Schrecken einjagen können. Es waren armselige, erbärmliche Menschen, die einfach nur krank waren, denen die nötige Vorstellungskraft fehlte, um ihre Probleme gewaltlos zu lösen. Das machte sie nicht zu etwas Bösem – sie waren einfach nur geschädigt, aber nicht böse. »Ich bin mir nicht sicher, ob es das Böse gibt, nicht so, wie Sie es meinen.« Sie legte beide Hände auf den Tisch und stemmte sich dagegen, die Arme durchgedrückt. »Ich meine, sicher, es gibt eine moralische Komponente in unserem Leben, und wenn man weiß, dass man etwas Falsches tut –«
»Das Böse«, unterbrach Arkeley sie, »ist nie befriedigt. Das Böse kennt kein Ende, keinen Schluss.« Er schluckte geräuschvoll. »Wenn man es nicht aufhält, wird es die Welt verschlingen. Vampire sind etwas Unnatürliches. Sie sind tote Kreaturen, die sich wieder erheben und ein Zerrbild des Lebens nachäffen, und sie zahlen dafür einen hohen Preis. Das Universum verabscheut sie noch mehr, als es ein Vakuum
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