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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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konnte.
    »Ich bin Leslie Wetzon«, sagte Wetzon.
    »Ja?« In den Augen der Frau zeigte sich kein
Schimmer des Erkennens.
    »Die Besprechung um vier Uhr wegen Combinations
in concert. Würden Sie Nancy ausrichten, daß ich hier bin?«
    »Wie, sagten Sie, war Ihr Name?«
    »Leslie Wetzon.«
    Die junge Frau nahm den Hörer ab und drückte auf
einen Knopf. »Eine Leslie Watson ist hier wegen einer Besprechung um vier Uhr.«
Ihr britischer Akzent hatte stark nachgelassen. Jetzt gelang es ihr nur noch,
wie eine schlechte Imitation von Billie Dawn zu klingen.
    Die eine der beiden luftdicht versiegelten Türen
tat sich auf, und Nancy eilte so schnell heraus, daß ihre schulterlangen
Ohrringe bebten. »Oh, Leslie, du kommst zu früh! Mort hat eine wichtige
Besprechung, und Carlos ist noch nicht hier.«
    Alles an Nancy bebte, bis auf ihr Haar, das
wegen des Bürstenschnitts nicht konnte. Sie trug einen langen schwarzen Rock,
der bis zur halben Wade bebte, schwarze hochhackige Stiefel und einen schwarzen
Bustier, in dem ihre Brüste unter einer schwarzen Strickjacke mit Gürtel
bebten. In der Hand — mit fünf Zentimeter langen roten Nägeln — bebte ein großer
schwarzer Schnellhefter.
    In jeder Hinsicht glich sie einem
Ausrufezeichen.
    »Gibt es einen Platz, wo ich ein paar Anrufe
erledigen kann?« fragte Wetzon.
    »Natürlich.« Nancy lächelte Wetzon mit bebenden
Lippen an. »Du kannst meinen Schreibtisch benutzen.« Sie schob Wetzon durch die
Tür und zog sie hinter sich zu — innen, bemerkte Wetzon, gab es einen Griff — ,
bis sie mit einem dumpfen Klicken ins Schloß fiel. »Möchtest du Kaffee oder was
anderes? Ein Diätcola? Der Kühlschrank steht da drinnen. Bediene dich. Du
findest mich im hinteren Zimmer. Ich muß ein paar Zahlen für Mort überprüfen.«
    »Ich komme schon zurecht«, sagte Wetzon und
empfand durchaus Mitgefühl für Nancy. Sie hatte die besonnene Sunny Browning,
die jetzt ihre eigenen Shows produzierte, als Morts Assistentin ersetzt. Für
Mort zu arbeiten, mit seinen Ansprüchen, seinen Stimmungen, seinen
Beschimpfungen zu jonglieren, mußte gewiß die normalste Person zum Beben
bringen.
    Sich hinter Nancys Schreibtisch setzend griff
sie zum Telefon und rief Silvestri an. Sie mußte lange warten, bis er an den
Apparat kam. Während sie ihm von Darlene und dem Klümpchen Blei berichtete,
konnte sie ihn buchstäblich knurren hören. Als sie fertig war, sagte er: »Du
lieber Himmel, Les, warum hast du das nicht sofort gemeldet, als es passiert
ist?« Er hörte sich ärgerlich und ungeduldig an.
    »Weil ich das verdammte Ding erst vor fünfzehn
Minuten gefunden habe... zufällig. Es fiel aus der Fußmatte, als ich sie
verschob.« Warum gab er ihr immer das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben?
    »Aber der Hut...«
    »Vielleicht war es keine Kugel, und Darlene ist
ein bißchen verrückt.«
    »Ich bitte Metzger bei dir anzurufen, wenn ich
ihn erreichen kann.« Artie Metzger war Silvestris alter Partner vom
Siebzehnten, dem Bezirk, in dessen Zuständigkeit Wetzons Büro fiel.
    »Ich bin nicht im Büro. Ich bin bei Mort
Hornberg.«
    »Dann rufst du Metzger an. Muß los, Les...«
    »Silvestri, Moment noch. Wann bist du heute
abend zu Hause?«
    »Spät.« Es krachte in ihrem Ohr, als er den
Hörer auf die Gabel schmiß.
    »Klar, auf Wiedersehen, Liebster, Herzblatt,
Schatz«, sagte sie, während sie ebenfalls auflegte. Soviel zum Abendessen. Bei
der nächsten Inkarnation bitte keine Polizisten. Aber Silvestris Überstunden
bedeuteten, daß sie den Abend für sich haben würde, was auch nicht schlecht
war. Sie freute sich darauf, Das Wasserwerk zu lesen, das Buch von
Doctorow, das sie gestern als Taschenbuch erstanden hatte.
    Auf Nancys Schreibtisch herrschte zwanghafte
Ordnung. Projekte waren in einzelnen Drahtkörben aufgereiht, jedes in einem
schwarzen Hefter mit Etikett. Die Pappschachtel vor ihr war mit Combinations,
Fotos beschriftet. Ein Computer, CDROM kompatibel samt Lautsprechern, stand
auf einem rechtwinklig zum Schreibtisch stehenden Beistelltisch. Er hatte einen
blauen Schirm und summte. Das perfekte Zubehör für das Büro eines
Musicalregisseurs.
    Wetzon erhob sich und sah auf die Uhr. Carlos
müßte jede Minute hier sein. Durch die geschlossene Tür, die, wie sie annahm,
in Morts Büro führte, drang kein Laut. Neugierig legte sie die Hand auf den
Griff — sie konnte sich jederzeit entschuldigen — und öffnete die Tür einen
Spalt, gerade weit genug, um Mort auf dem Rücken auf einem

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