Der letzte Vorhang
den Winter in New York.
Die Fußmatte lag schräg, und sie blieb stehen,
um sie mit der Schuhspitze geradezurücken, wobei etwas Glänzendes, das sich in
den Borsten der Matte verfangen hatte, herausfiel. Sie bückte sich, um es
aufzuheben, und rollte es auf der Handfläche hin und her.
Es war ein eigenartig geformter Bleiklumpen,
durchsetzt mit Kupferstreifen.
MEMORANDUM
An: Carlos Prince und Leslie Wetzon
Von: Nancy Stein, Assistentin von Mort Hornberg
Datum: 15. November 1994
Betr.: Combinations in concert
Die Formate, die JoJo für die Orchesterpodien
wünscht, entsprechen nicht den Standardgrößen, läßt Paradiso Music verlauten. Ich habe ihm
gesagt, er soll mit Euch sprechen, aber sowohl Mort als auch ich selbst meinen,
JoJo sollte in Anbetracht der Tatsache, daß Paradiso uns nur 400 Dollar in
Rechnung stellt, was ein Nachlaß von 50 % ist, mit unseren Vorgaben arbeiten.
7.
Kapitel
»Leslie? Hier ist Nancy Stein. Zu der Notiz, die
ich dir und Carlos...«
»Ich wollte dich auch schon anrufen. Wir stimmen
völlig mit Mort überein, daß wir die Kosten möglichst niedrig halten wollen.
Was spricht gegen Standardgrößen?«
»JoJo sagt, die würden besser wirken.«
»Ich schätze, JoJo glaubt, es dreht sich alles
um das Orchester. Persönlich glaube ich, es geht nur ums Tanzen. Medora denkt
ganz sicher, das Buch wäre das wichtigste ... Ach, vergiß es. Wir sind für Standardgrößen.«
New York war eine Stadt der Fußgänger. Unter den
strammen Schritten der Einwohner und den schlendernden Füßen der Touristen, die
in hellen Scharen aus der ganzen Welt herbeiströmten, um die Sehenswürdigkeiten
zu sehen und sich auf die New Yorker einzulassen, schien mitunter die ganze
Insel Manhattan zu erbeben. Jeder ging zu Fuß, besonders Frauen.
Geschäftsfrauen und Sekretärinnen, Ärztinnen, Empfangsdamen, alle trugen sie
die unvermeidlichen weißen Laufschuhe und weiße Socken über Strumpfhosen. Die
Beine waren schlank und straff. Untere Schreibtischschubladen in der ganzen
Stadt dienten als Behälter für elegantere Schuhe, in die man bei der Ankunft im
Büro schlüpfte.
Um diese Jahreszeit genoß Wetzon normalerweise
einen strammen Marsch quer durch die Stadt zum Broadway, aber der Fund des
Gegenstands, der angesichts der Furche in Darlenes Pelzhut vielleicht der Rest
einer echten Kugel war, brachte sie durcheinander.
Die plötzliche Flut der Anrufe von Marissa
Peiser, die an der Anklage gegen Richard Hartmann wegen Geldwäsche arbeitete,
und von Arthur Margolies, Wetzons eigenem Anwalt, von denen sie keinen einzigen
beantwortet hatte, beunruhigte sie. Peiser hatte versprochen, sie
herauszuhalten — aber... es gab zu viele Aber.
Und dann war da auch noch das unheimliche
Skelett im Schrankkoffer. Und das Unterlassungsurteil. Aufgewühlt — so fühlte
sie sich.
Der Spaziergang machte ihr keinen Spaß.
Als sie eine Straße von ihrem Büro entfernt an
Steve Sondheims Haus vorbeiging, tippte sie automatisch an ihre Baskenmütze und
verbeugte sich schwungvoll, um ihm ihre Hochachtung zu bezeigen, bevor sie
weiterging.
Vor jedem Bürogebäude an der Madison Avenue
stand ein versprengtes Häuflein von Rauchern, die zitternd an ihren Zigaretten
zogen. Die Nichtrauchergesetze hatten sie hinaus auf die Bürgersteige
getrieben, damit sie zur allgemeinen Luftverschmutzung beitragen konnten.
Paul Stuart, wo die Creme der Wall Street ihre
Nadelstreifenanzüge und weißen Hemden kaufte, vom Rest der Garderobe ganz zu
schweigen, hatte hölzerne Truthähne, die Cashmereschals präsentierten, ins
Schaufenster gestellt. Wollte er alle behutsam daran erinnern, daß Weihnachten
nicht mehr fern sein konnte, wenn Thanksgiving vor der Tür stand? Ein
Obdachloser benutzte das Seitenfenster mit seiner reichen Auswahl an
Cashmerepullovern als Spiegel, zog sein mottenzerfressenes Tweedsportsakko
gerade, strich glättend über die Khakihose, drehte sich zur Seite, wieder nach
vorn, und ging wie ein Model auf dem Laufsteg auf sein Abbild zu.
Kein Mensch achtete auf ihn oder machte auch nur
einen großen Bogen um ihn. Was Wetzons Aufmerksamkeit erregte, war das
Theaterhafte an der ganzen Vorstellung — eben das, was Laura Lee Day, vom
Mississippi nach New York verpflanzt, einen New Yorker Moment genannt hätte.
Mort Hornberg unterhielt ein kleines Büro im
siebten Stock des Sardi-Gebäudes in der West 44. Street, im Herzen des
Theaterdistrikts.
Sie freute sich nicht auf diese Sitzung.
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