Der letzte Vorhang
Ihnen, Wetzon? Nein, ich meine
es ganz ernst. Ich will es wissen.«
»Schon gut. Ist der Herr vielleicht daran
interessiert, sich zu verändern?«
»Ich spiele mit dem Gedanken. Ich höre, daß sie
überall mit dem Geld nur so um sich werfen.«
»Also sagen wir mal, es gibt gute Abschlüsse für
Broker ohne Probleme. Sind Sie sauber?«
»Würde ich Sie belügen?«
Er hatte ihre Frage mit einer Frage beantwortet.
Sie überlegte, was sie an dem Bild störte. »Wie sieht’s mit Ihrer Erfolgsbilanz
zur Zeit aus?«
»Na ja, Sie müssen wissen, es ist nicht mehr so
wie früher. Hier gibt’s keinen Terminkalender.«
»Aber, aber, keine Neuemissionen? Kein
Absatzkartell? Wie machen wir überhaupt Geschäfte?«
»Sehr komisch, Wetzon. Ich habe ein paar große
Kunden, und sie kaufen börsenfähige Aktien. Damit mache ich zwischen fünf- und
sechshundert. Viel wichtiger ist aber, daß ich meine Akte in Ordnung gebracht
habe. Keine einzige Beschwerde in drei Jahren.«
Aha, die Antwort auf die große Frage. »Gut,
Kevin, vielleicht sollten wir uns zusammensetzen und darüber reden.«
Wetzon notierte sich einen Termin für einen
Drink mit De Haven und legte den Hörer gerade rechtzeitig auf, um zu sehen, wie
Smith ihren Stapel Nachrichtenzettel hochhob und mit einem eleganten Schwung in
den Papierkorb fallen ließ. Sie rieb die Hände gegeneinander und lächelte
Wetzon an.
»Woher weißt du, daß nichts wirklich Wichtiges
dabei war?«
»Falls es so wichtig ist...«
Sie beendeten den Satz zusammen: »...werden sie
wieder anrufen.« Lachend sahen sie einander an.
»Also gut«, sagte Wetzon, »ich gebe auf.
Willkommen an Bord. Aber an dem Tag, an dem du die Stepschuhe anziehst, hast du
mich hier zum letztenmal gesehen.«
»Abgemacht.« Sie gaben sich die Hand darauf.
Smith’ Lachen war ansteckend. Wenn sie so obenauf war, machte es Spaß mit ihr.
Dennoch hatte Carlos recht: Smith’ Verhalten war besonders hinterhältig.
Schließlich waren sie immerhin Partnerinnen, oder etwa nicht? Wetzons Ärger war
durchaus nicht ganz verraucht, und sie war noch nicht bereit, es einfach so auf
sich beruhen zu lassen. »Aber im Moment habe ich etwas sehr Wichtiges mit dir
zu besprechen.«
»So?« Smith kippte die Tasche mit den Mustern
auf ihren Tisch und begann, sie durchzuwühlen. »Wie würde das hier an meinen
Wohnzimmerwänden aussehen?« Sie hielt ein Stück maulwurfsgraues Leinen hoch.
»Sehr schön. Sehr teuer. Smith...«
»So stelle ich es mir ungefähr vor.«
»Willst du wirklich soviel Arbeit in diese
Wohnung investieren? Seit Jahren redest du von Umziehen.«
Smith grübelte eine Weile darüber nach. »Das stimmt.
Weißt du was, Zuckerstück, du hast völlig recht.« Sie hielt die Einkaufstasche
unter die Tischkante und schaufelte sämtliche Muster wieder hinein. »Fifth
Avenue oder Park Avenue? Was meinst du?«
»Sutton Place ist hübsch. Meine Freundin Gloria
wohnt dort. Und Central Park West ist natürlich phantastisch.« Wetzon hatte
Lust, Smith ein wenig zu ärgern. Sie wußte, wie ihre Partnerin reagieren würde.
Smith glaubte, die West Side wimmle von arbeitslosen Schauspielern, Musikern,
liberalen Demokraten, Juden und Schwarzen.
»Central Park West liegt an der West Side.«
»Letztes Mal, als ich nachsah, lag es noch
dort.«
»Weißt du, Goldstück, die West Side mag für dich
gut genug sein, aber ich wäre dort drüben einfach verloren. Kein Mensch wie ich
läßt sich dort auf der Straße sehen.«
»Gott sei Dank«, flüsterte Wetzon, was im
beharrlichen Läuten des Telefons unterging. Als sie abheben wollte, war ihr
jemand im Vorzimmer schon zuvorgekommen. »Smith, ich habe das ganze Wochenende
versucht, dich zu...«
»Ich war in Westport.«
»Du bist nicht ans Telefon gegangen.«
»Ich war beschäftigt.« Sie lächelte verlegen und
räusperte sich. »Wenn du es unbedingt wissen mußt, ich habe mich vor Dickie
versteckt.«
»Kannst du nicht einfach mit ihm Schluß machen?«
Sie schüttelte den Kopf. »So einfach ist das
nicht.«
»Hat er dich bedroht? Mich hat er nämlich
bedroht.«
»Das hat mit anderen Dingen zu tun. Ich möchte
nicht darüber reden.« Sie lächelte Wetzon nervös zu.
»Herrgott, Smith. Na ja, gut. Sag mir Bescheid,
wenn ich helfen kann.«
Max klopfte, dann steckte er den Kopf herein.
»Guten Morgen, die Damen. Lieutenant Silvestri ist am Apparat, Wetzon.«
»Guten Morgen, bester Max«, sagte Smith und
bedachte ihn mit einem gütigen Lächeln.
Wetzon verdrehte die Augen
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