Der letzte Vorhang
Freitag, 23. Dez.
18.
Kapitel
»Was denkst du, Häschen? Sieht doch richtig
gut aus.«
»Finde ich auch. Und richtig amtlich.«
»Wir kriegen doch keine kalten Füße?«
»Würden wir nie wagen.«
Wetzon verbrachte die erste halbe Stunde damit,
Verabredungen zu bestätigen; Montage konnten an der Wall Street haarig sein.
Die meisten Crashs waren an Montagen passiert. Und die Börsenmakler neigten
nach einem Wochenende fern vom Büro zu Lustlosigkeit.
Sie hatte Smith nicht erreichen können, weil
diese es ablehnte, sich einen Anrufbeantworter zuzulegen, und so war ihr Zorn
schon ein wenig verraucht. Eigentlich konnte man Smith’ Verhalten auch nie als
überraschend bezeichnen. Wenn man darüber nachdachte, hatte sie ihrem Charakter
entsprechend reagiert.
Terri Matthews und ihr Schicksal ließen in
Wetzons Kopf wenig Raum für anderes. Dazu kam, daß Wetzon die kalte
Verurteilung Foxys nicht aus ihren Gedanken verbannen konnte. Was hatte Terri
ihr...
Smith stürmte ins Büro, fulminant aussehend mit
einem riesigen kamelhaarfarbenen Cashmereschal, das eine lange Ende über die
andere Schulter geworfen. Dazu trug sie ein passendes Kostüm und hatte eine mit
Stoffmustern vollgestopfte Tasche von Brunschwig & Fils in der Hand.
Sie trällerte — falsch — den Titelsong von Combinations.
»Was soll denn das?« fuhr Wetzon sie an, indem
sie auf die überquellende Tasche deutete.
Smith überging Wetzons Gereiztheit.
»Zuckerstück, ich muß dir soviel erzählen. Ich habe beschlossen, meine Wohnung
zu renovieren. Schließlich...«
»...bin ich jetzt im Showbusineß«, beendete
Wetzon den Satz für sie, mit einem unüberhörbaren gehässigen Unterton.
»Oh, sehr komisch.« Smith zog sich den Schal
herunter und warf ihn auf den Aktenschrank. »Ich bin zu gut gelaunt, um mich
von dir ärgern zu lassen.« Sie sah Wetzon an und lachte. »Was habe ich getan,
bin ich in deine private Welt eingedrungen?«
Du lieber Gott, dachte Wetzon. Es war etwas
Wahres an dem, was Smith gerade gesagt hatte. Sie verschränkte die Arme. »Du
hast wohl recht«, gab sie zu.
»Nun, aus meiner Sicht ist es eine gute Sache.
Das Theater braucht mich dringend, weil niemand dort weiß, wie man ein Geschäft
führt. Geschäfte sollen Geld einbringen, Kleines, und nicht nur welches kosten.
Selbst Twoey...«
»Twoey? Hast du etwa wieder mit Twoey angefangen?«
Twoey, eigentlich Goldman Barnes II, war Smith’ Ex-Liebhaber, der Luwisher
Brothers nach der Fusion verlassen hatte, um sich seinen Traum zu erfüllen,
Produzent am Broadway zu werden. Hotshot war seine erste Show gewesen,
und jetzt war er der Liebling des Broadway. Die Shuberts — das heißt Bernie
Jacobs und Gerry Schoenfeld, denen die meisten Theater am Broadway gehörten —
brachten sich fast um, ihm gefällig zu sein, desgleichen die Nederlanders. Und
der allgegenwärtige Rocco Landesman, Leiter des Jujamcyn, und Twoey redeten
über eine komplette Koproduktion.
»Das nicht, Schatz, Twoey scheint was mit dieser
gräßlichen puertorikanischen Frau, die früher Morts Assistentin war, zu haben.«
»Smith, Sunny Brown kommt nicht aus Puerto
Rico.«
»Ist ja auch egal.«
»Wenn du also nicht mit Twoey flirtest, um
Hartmann loszuwerden, wer ist es dann?«
»Ich habe es dir kürzlich beim Abendessen
gesagt.«
»Nein, hast du nicht.«
Smith hob mit beiden Händen ihre dunklen Locken
an. »Joel.«
»Joel Kidde? Wie faszinierend. Ich hätte nie
gedacht, daß er einen hat.«
»Was hat?«
»Einen Penis.«
Smith machte den Mund auf, um etwas zu erwidern,
doch das Telefon läutete, und Wetzon griff danach. »Smith und Wetzon, guten
Morgen.«
»Wetzon«, flüsterte ihr eine Stimme ins Ohr. »Das
Gerücht du jour ist, daß Dean Witter Prudential kaufen will.«
»Im Ernst?« Wer war dieser Knabe? Sie versuchte,
die heisere Stimme einem Gesicht zuzuordnen, sah, daß Smith, die Hände auf den
Hüften, sie anstarrte. Wetzon zwinkerte ihr frech zu, und Smith machte mit den
Händen eine Bewegung, als wollte sie ihr den Hals umdrehen, setzte sich an
ihren Schreibtisch und begann, ihre Post durchzugehen.
»Ich hoffe, Sie haben mich nicht vergessen«,
fuhr die Stimme in noch verführerischerem Ton fort.
Da klingelte es bei ihr. In Wetzons ganzer
Praxis als Headhunterin war ihr noch niemand wie Kevin De Haven begegnet. Seine
Telefoniermethode war eine einzige Verführung. »Ach, Kevin, lassen Sie
das. Sie wissen, daß das bei mir nicht verfängt.«
»Was verfängt bei
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