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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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einem Gebäude, das mittlerweile eines der letzten
Mietshäuser an der Upper West Side war. In den siebziger und achtziger Straßen
waren nahezu alle Wohnhäuser an der East und West Side in genossenschaftlich
verwaltete Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Silvestri setzte Wetzon und
den Weihnachtsstern vor dem Gebäude ab und machte sich auf die Suche nach einem
Parkplatz. Die Kälte ging bis auf die Knochen.
    Sie teilte sich den Aufzug mit zwei abgekämpften
kleinen Jungen in blauen Strickmützen, die ausgestreckt in einem
Zwillingssportwagen schliefen, und ihren ebenso erschöpften Eltern. Ein
hellbrauner Cockerspaniel war an den Wagen angeleint. Als Wetzon im fünften
Stock ausstieg, versuchte der Cockerspaniel, dessen Name Sadie war, ihr zu
folgen, zerrte am Wagen und weckte die Jungen, die sofort losbrüllten.
    »Kleine Häschen, das kann man wohl sagen«,
brummte Wetzon, während sich die Türen vor dem Tumult schlossen.
    Das Geschöpf, das Marissas Tür öffnete, war für
Wetzon fast nicht wiederzuerkennen. Ihr Haar hatte sich aus einem Pferdeschwanz
gelöst, und sie trug Jeans und ein Cornell-Sweatshirt, beide Kleidungsstücke an
verschiedenen Stellen fleckig, naß und fettig. Das gleiche galt, bei Licht
betrachtet, auch für ihr Gesicht.
    »Tut mir leid«, sagte Marissa verwirrt. »Ich
dachte, ich würde rechtzeitig fertig, aber ich kann so was eigentlich nicht so
gut. Kommen Sie herein.« Sie hielt Wetzon die Tür auf. »Lassen Sie den Mantel
einfach auf den Stuhl da fallen.«
    »Was machen Sie gerade?« Wetzon stand in einer
großen Diele, von der links ein tiefer gelegenes Wohnzimmer und rechts ein
Eßzimmer abgingen. Jede Oberfläche — Fußboden, Sofa, Tisch — war mit Papier-
und Bücherstapeln bedeckt.
    »Heute ist Chanukka, und meine Eltern kommen zum
Essen. Ich bin gerade dabei, Kartoffel-Latkes zu backen.«
    »Paßt das hier?« Wetzon hielt ihr die Tüte mit
dem Weihnachtsstern hin.
    »Wie schön. Klar. Danke.« Marissa Peiser stellte
die Pflanze mit der Plastiktüte auf den vollen Eßtisch — ein Eichenmöbel mit
schweren geschnitzten Füßen und Krallen. »Kommen Sie mit nach hinten in die
Küche.«
    Während Wetzon ihr folgte, sagte sie: »Silvestri
sucht noch einen Parkplatz.«
    »Sie können ihm dann aufmachen. Ich muß das zu
Ende bringen.« Auf der Theke stand eine Schüssel mit geriebenen Kartoffeln in
Wasser. Marissa tauchte die Hände ins Wasser, schöpfte zwei Handvoll Kartoffeln
und preßte die Nässe heraus, dann gab sie die Masse in eine andere Schüssel.
Als sie diese Prozedur beendet hatte, fügte sie Eier, Mehl und Backpulver
hinzu, schöpfte die Mischung löffelweise heraus und ließ die Klumpen in einen
Topf mit heißem Öl fallen, wo sie sich sofort bräunten und die Küche mit einem
Duft erfüllten, der Wetzon das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. »Leslie,
wenn Sie eine doppelte Lage Papiertücher auf diesen Teller legen, können wir
sie abtropfen lassen.« Marissa drehte die Latkes mit einem geschlitzten Wender
um. Das Öl umhüllte brutzelnd die Küchlein. »Sobald Silvestri kommt, höre ich
auf. Wir können sie probieren und dabei reden.«
    »Aber dann reichen sie nicht fürs Abendessen.«
    Marissa lachte. »Machen Sie mal die Backofentür
auf.«
    Die Tür des Backofens war warm; als Wetzon sie
öffnete, sah sie, daß auf jede Schiene ein Kuchenblech voller Latkes geschoben
war.
    Silvestri traf ein, als Marissa Peiser gerade
eine Platte mit einem Berg Latkes und eine Schüssel Sauerrahm auf den
Eßzimmertisch stellte; Aktentasche, Papiere und Stenoblöcke schob sie einfach
beiseite. Wetzon brachte Teller, Gabeln und Servietten herein.
    »Mann, riecht das gut«, sagte Silvestri. Er
griff nach einem Latke und ließ ihn im Mund verschwinden.
    Marissa schenkte Kaffee ein. »Er ist
koffeinfrei, Leslie. Es tut mir leid, daß ich Sie hierherbitten mußte, aber Sie
wünschten ein paar Antworten, und ich dachte, hier könnte man sich leichter
unterhalten. Inoffiziell.« Sie verteilte Latkes auf die Teller und reichte den
Sauerrahm herum.
    »Sie haben ein Abkommen mit Hartmann getroffen«,
begann Wetzon. Eigentlich glaubte sie nicht, daß sie etwas essen könnte,
Silvestri dagegen fiel es gar nicht schwer, Sauerrahm aufzuhäufeln und ein
Küchlein nach dem andern wegzuputzen.
    » Wir nicht. Das FBI ist an uns
herangetreten. Er hat eingewilligt, Namen preiszugeben.«
    »Und mit der Geldwäsche kommt er ungeschoren davon?«
    »Unter anderem. Man hat uns

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