Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
LaBréa nippte an seinem Drink, der inzwischen noch wässriger schmeckte.
»Ich bin der Geschäftsführer. Gestatten: Patrice Montana.« Er musterte LaBréa eingehend. Ein Mann in Cordhose und hellgrauem Pullover... Als sein skeptischer Blick auf LaBréas derbe Schlechtwetterschuhe fiel, schüttelte er leicht den Kopf, ohne dass sein routiniertes Lächeln verschwand.
»Tanzen Sie denn überhaupt, Monsieur?«
LaBréa nickte rasch.
»Ab und zu schon, sonst wäre ich ja nicht hier.«
»Wohl nicht aus Paris, was?« Es klang halb scherzhaft, halb mitleidig. LaBréa beschloss, das Spielchen mitzuspielen.
»Ganz recht, Monsieur Montana. Ich komme aus der Auvergne und habe geschäftlich in Paris zu tun.«
Der Geschäftsführer senkte vertraulich die Stimme.
»Und dann verirren Sie sich ausgerechnet zu uns? Da gibt es doch ganz andere Adressen: das Moulin
Rouge oder einschlägige Lokale am Boulevard Diderot.«
»Das hebe ich mir für die nächsten Tage auf«, erwiderte LaBréa.
Patrice Montana sah LaBréa noch einmal prüfend an, dann klopfte er ihm auf die Schulter.
»Nun, Monsieur, dann wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Abend.«
Der Geschäftsführer machte kehrt, ging zu einem der Tische in der Nähe, wo er den beiden Damen, die ihn und LaBréa die ganze Zeit neugierig beobachtet hatten, galant die Hand küsste. Dann stellte er sich an die Tanzfläche und beobachtete das Treiben. Die Grauhaarige mit dem geblümten Kostüm lächelte ihm zu, während ihr Kavalier mit der Hasenscharte ihn nicht beachtete.
LaBréa trank den letzten Schluck seines Tom Collins und dachte nach. Der Geschäftsführer hatte sich allzu sehr für ihn interessiert. Weil er sofort gespürt hatte, dass er nicht in dieses Lokal passte? Oder aus anderen Gründen?
Fünf Minuten später verließ LaBréa das Paradis wieder. Er hatte genug gesehen. Die eigenartige Atmosphäre in dem Lokal ging ihm nicht aus dem Sinn. War der Mörder von Griseldis Geminard in diesem Umfeld zu suchen?
Als LaBréa auf dem Nachhauseweg die Place des Vosges überquerte, zeigte sich am nächtlichen Himmel
zwischen zwei Wolkenfetzen für einen Augenblick der beinahe volle Mond. Sein bleicher Lichtstrahl ergoss sich wie ein Scheinwerfer, den man an- und ausschaltete, über das Grün des Platzes.
12. KAPITEL
A m Montagmorgen brachte LaBréa seine Tochter zur Schule und versprach ihr, sie am Abend zusammen mit Céline zum Essen auszuführen. Anschließend ging er in sein Büro am Quai des Orfevres. Es war ein schöner Oktobertag mit sanftem Licht, das über der Stadt schimmerte wie ein falsches Versprechen. Im Radio hatten sie am Morgen gesagt, dass es im Lauf des Vormittags erneut heftig regnen würde.
Auf den Seinebrücken und an den Quais herrschte der übliche Berufsverkehr. LaBréa nahm den Weg über die Île St. Louis und von dort aus zur Île de la Cite, wo sich der Justizpalast und das Polizeipräsidium befanden. Auf der Seine tuckerte ein Boot der Wasserpolizei. Die Trikolore am Heck sah nagelneu aus und flatterte im Wind.
Wie meistens war der Paradiesvogel auch an diesem Morgen als Erster im Büro. Er hatte bereits eine große Kanne Kaffee in LaBréas Büro geschafft. Heute trug er eine knallrote Hose aus Leder und einen schwarzen Pulli mit einem roten Smiley auf der Brust.
Claudine war ebenfalls schon da und setzte sich zu LaBréa an den Konferenztisch. Franck erschien als
Letzter und warf seine speckige Lederjacke über die Stuhllehne. Er wirkte verschlafen und war wieder unrasiert. Als er Jean-Marcs Outfit musterte, meinte er ironisch: »Wow, heute mal nicht im Zebra- oder Blümchenlook! Rot und schwarz. Ist das nicht der Titel eines berühmten Romans?«
Jean-Marc lächelte nachsichtig.
»Ach, Franck, lass es. Du weißt ja nicht mal, worum es in Rot und Schwarz geht. Geschweige denn, wer es geschrieben hat.«
»Natürlich weiß ich das. Aber ich muss es dir ja nicht auf die Nase binden.«
Jean-Marc lachte, und Claudine schüttelte schmunzelnd den Kopf.
LaBréa schlug mit der flachen Hand leicht auf die Tischplatte.
»Schluss jetzt! An die Arbeit.«
Er berichtete seinen Mitarbeitern von den Gesprächen mit der Concierge und der Besitzerin der Brûlerie sowie von seinem Besuch im Paradis.
»Scheint ja der richtige Name für diesen Schuppen zu sein«, bemerkte Franck und kratzte sich am unrasierten Kinn.
LaBréa fragte ihn, was er in der Nachbarschaft der beiden anderen Tatorte herausgefunden hatte.
»Tja, leider nicht viel«,
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