Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Jahren hat er in Moskau mal einen Kollegen aus den USA getroffen und sich mit ihm angefreundet. Sie waren beide mit ihren Chefs beim G8-Gipfel. Mein Mann als Bodyguard des Präsidenten, der Amerikaner als Bewacher von Bush. Er heißt Bill Waters. Ab und zu schicken er und mein Mann sich eine Mail. Bill arbeitet seit einem Jahr beim FBI, in der Abteilung Vermisste Personen.«
LaBréa stutzte. Ihm war das Gespräch mit Jenny über den Fernsehkrimi eingefallen.
»Vermisste Personen? Gibt es da nicht so eine amerikanische Krimiserie, die solche Fälle zeigt? Meine Tochter hat so was erwähnt.«
»Ja, verschwunden «, sagte Jean-Marc. »Normalerweise sehe ich mir so was ja nicht an, aber die Serie ist echt gut.«
Claudine fuhr in ihrem Bericht fort.
»Mein Mann hat Bill Waters gestern eine Mail geschickt und gefragt, wie man herausbekommen könnte, wo Augustine Geminard in den USA wohnt und ob
sie noch am Leben ist. Am Abend kam seine Antwort.«
Gespannt sah LaBréa seine Mitarbeiterin an.
»Es gibt mehrere Möglichkeiten, meint Bill. Er kann in den Datenbanken der vermissten Personen nachforschen, und zwar in sämtlichen Bundesstaaten. Dann gibt es noch eine zentrale Datenbank für ungeklärte Todesfälle, Mordfälle und Selbstmorde. Er wollte ein Foto von Augustine. Die Kollegen der Spurensicherung hatten ja die Fotos aus der Wohnung von Griseldis Geminard zur Untersuchung im Labor. Heute früh hab ich mir die Aufnahme, auf der Augustine als junge Frau zu sehen ist, von drüben geholt, eingescannt und gleich an Bill gemailt. Er meldet sich, sobald er alles gecheckt hat.«
LaBréa nickte anerkennend.
»Danke, Claudine, gute Arbeit.«
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. LaBrea stand auf und nahm den Hörer ab. Es war Gilles, der Leiter der Spurensicherung.
»Ich hab zwei interessante Sachen für Sie, Commissaire.«
»Moment, ich stelle auf ›Mithören‹.«
»Erstens: Wir haben das Resultat der DNA-Analyse der fremden Hautzellen auf dem Seidenschal des Opfers. Es ist die DNA eines männlichen Täters, wie das Y-Chromosom beweist.«
»Das also wenigstens steht fest«, meinte LaBréa.
»Aber jetzt kommt’s: Diese DNA ist identisch mit der DNA, die 2003 am Tatort von Annie Normand sichergestellt wurde.«
»Tatsächlich? Dann war es ein und derselbe Täter. Das hatten wir bereits vermutet.«
»Zweitens: Am Sonnabendmorgen wurde auf dem Gelände der Gare de Lyon eine skelettierte Leiche gefunden.«
LaBréa warf Franck einen kurzen Blick zu und fragte Gilles: »Mit halb zertrümmertem Schädel? Franck hat mir vorgestern davon erzählt.«
»Es war Mord, und die Sache ist nicht verjährt.«
»Weiß man schon, um wen es sich handelt?«
»Nein. Keinerlei Hinweis auf die Identität. Im Institut für Forensische Osteologie haben sie übers Wochenende die Knochen untersucht. Dr. Foucart war auch dabei. Sie ist gerade bei mir. Können wir rüberkommen?«
»Ja, natürlich! Also, bis gleich«, erwiderte LaBréa und legte auf.
Minuten später betraten Gilles und Brigitte Foucart LaBréas Büro. Die Gerichtsmedizinerin war wie immer elegant gekleidet und dezent geschminkt.
»Ich wusste gar nicht, dass du dich in der forensischen Osteologie auskennst«, sagte LaBréa zur Begrüßung erstaunt.
»Sozusagen ein Hobby von mir«, erwiderte Brigitte trocken und zeigte ein kleines Lächeln. Dann begann sie ohne Umschweife mit ihrem Bericht.
»Am Kopf des Skeletts sind schwere Verletzungen zu erkennen, die von einem stumpfen Gegenstand herrühren. Ich tippe auf eine Eisenstange oder einen dicken Holzknüppel. Die Schädeldecke wies gleich mehrere Frakturen auf.«
»Seit wann lag der Leichnam auf dem Bahngelände?«, fragte LaBréa.
»Seit etwa sechs bis sieben Jahren. Demnach war in diesem Zeitraum vermutlich auch der Todeszeitpunkt.«
»Ist es ein Mann oder eine Frau?«, wollte Claudine wissen.
»Eine Frau. Sie war etwa dreißig bis fündunddreißig Jahre alt. Anhand der Femurknochen haben wir festgestellt, dass sie ziemlich groß war. Und wir wissen, dass diese Frau einmal geboren hat.«
»Wie und wo kann man so etwas an einem Skelett denn nachweisen?« Erstaunt zog LaBréa die Augenbrauen hoch.
»Am Becken, Maurice. Zunächst kann man anhand der Beckenform sehen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Bekanntlich ist das weibliche Becken breiter als das männliche.
Zudem ist die Symphysenfläche des Beckens bei Frauen, die noch keine Kinder zur Welt gebracht haben, an der Innenseite
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