Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
dass die Akten irgendwann geschlossen wurden und Kollegin Mandarin nicht sehr glücklich war, das Handtuch werfen zu müssen.«
Während die Vorspeisen serviert wurden, fuhr LaBrea in seinem Bericht fort. Genüsslich nahm Couperin die Fischpastete in Angriff, die er gewählt hatte, und hörte LaBréas Ausführungen bis zum Ende zu, ohne ihn zu unterbrechen. Danach entstand eine kurze Pause. LaBréa langte nach der letzten Auster auf der Platte.
»Diese Tanzpaläste«, sinnierte Couperin, »die kenne ich selbst, LaBréa.« Er schmunzelte, und seine Augen glänzten. »Ja, ja. In den frühen Siebzigern ging ich mehr oder weniger regelmäßig ins La Rose. Dort waren
ältere Herrschaften, Damen wie Herren, zwar in der Überzahl, doch jüngere Leute verkehrten da manchmal auch. Aber dass junge Männer ältere Frauen ausnehmen wollten oder gar abschleppten, das gab es damals nicht. Man ging hauptsächlich aus einem Grund ins La Rose: weil man ein nettes Mädchen kennenlernen wollte. Was allerdings nicht so einfach war. Vergessen Sie nicht, zu der Zeit gab es längst die Popmusik, und die wenigsten Mädchen wollten noch Musettewalzer hören, geschweige denn danach tanzen. Den jungen Männern in meinem Alter ging es ähnlich. Doch ich gehörte zu der altmodischen Sorte. Als Fan von klassischer Musik konnte ich mich schon mit den Beatles nie anfreunden. Und schon gar nicht mit allem, was danach kam.« Gedankenverloren lächelte er. »Im Übrigen habe ich meine spätere Frau nicht im La Rose kennengelernt, sondern bei einem Konzertabend mit Swjatoslaw Richter in der Salle Pleyel.«
LaBréa blickte Couperin aus den Augenwinkeln an und vermied es, sein Erstaunen zu zeigen. Er hatte gar nicht gewusst, dass der Ermittlungsrichter verheiratet war! Über sein Privatleben sprach Couperin nie. In den Kreisen von Police Judiciaire und Justiz galt er als eingefleischter Junggeselle. Lebte seine Frau nicht mehr? War er von ihr getrennt? LaBréa fragte nicht nach.
»Doch jetzt zum Prosaischen.« Couperin räusperte sich und trank einen Schluck Wasser. »Wir haben zwei
Ermittlungsstränge, wenn ich das richtig sehe. Zum einen die Morde an den beiden alten Damen. Wobei ich den Fall der Krankenschwester am Montmartre von 2006 ausdrücklich nicht dazurechne. Da gibt es, wie Sie mir sagten, bisher keine Indizien, die diese Tat mit den beiden anderen Morden in Verbindung bringen.«
»Richtig, Monsieur.«
Couperin trank einen Schluck Wein.
»Und was den Fall an der Gare de Lyon angeht: Eine junge Frau wird erschlagen und auf dem Bahngelände unter Schottersteinen verscharrt... Vergessen Sie nicht, was das für eine Gegend rund um den Bahnhof ist!«
LaBréa nickte und schob einen Bissen Ragout nach. Das Kaninchenfleisch war zart, und die Feigen gaben dem Gericht eine ungewohnte und interessante Note. Er wischte sich mit der Serviette den Mund ab und sagte: »Ich weiß, was Sie meinen, Monsieur. Die Bordelle in den Nebenstraßen der großen Boulevards. Die Tote könnte eine Prostituierte gewesen sein. Nachdem ihr Mörder sie erschlagen hatte, brachte er sie irgendwann später auf das Bahngelände.«
»So könnte es sich abgespielt haben«, erwiderte Couperin und wischte mit einem Stück Brot seinen Teller aus. »Und wenn sie eine Prostituierte war, dann wird es sehr schwer sein, über die Vermisstenkartei oder Ähnliches ihre Identität herauszufinden. Wenn
eine Nutte verschwindet, schweigt die Branche. Die melden niemanden als vermisst.«
»Sie hatte ein Kind, vergessen Sie das nicht. So was fällt auf.«
»Ja, aber wissen wir, wie alt das Kind war? Hat es überhaupt bei ihr gelebt? Starb es vielleicht schon im Säuglingsalter? Wurde es von der Mutter weggegeben? Soweit ich die Ausführungen von Dr. Foucart verstanden habe, kann nur nachgewiesen werden, dass die Frau geboren hatte, aber darüber hinaus nichts. Auch nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen oder gar Zwillinge waren. Wir wissen ja nicht einmal, ob es sich bei dem Opfer überhaupt um eine Prostituierte handelte. Das ist eine reine Vermutung, LaBréa.«
Sie gönnten sich noch ein Dessert und Kaffee, dann verließen Couperin und LaBréa das Petit Bofinger. Auf LaBréas Frage, ob der Ermittlungsrichter ihn zur Gare de Lyon begleiten wollte, winkte Couperin ab.
»Schluchten, Türme, dichte Wälder, unterirdische Gänge, die Schotterpiste eines Bahngeländes - das tue ich mir in meinem Alter nicht mehr an. Noch dazu bei diesem Sauwetter. Nein, nein, LaBréa. Sie berichten mir,
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