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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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»Versprochen. Ich hol dich da raus. Du brauchst nur auf mich zu warten.«
    »Okay, ich versuch’s.«
    »Sie wollen, dass ich –«, die Leitung wurde unterbrochen.
    Ich wirbelte zu Ellis herum. »Holen Sie sie zurück, verdammt nochmal. Holen Sie sie
sofort
zurück.«
    »Jake, Jake, beruhigen Sie sich. Immer mit der
Ruhe
. Sie wissen doch, wie so was abläuft. Sie haben mit ihr gesprochen. Sie haben festgestellt, dass sie die Ihre ist. Sie wissen, dass es ihr gut geht. Ich verspreche Ihnen, es wird ihr nichts geschehen. Ich habe das Zimmer gesehen, in dem sie festgehalten wird, und wissen Sie was? Es ist nett. Fernseher, gemütliches Bett, ein eigenes kleines Bad mit Dusche und allem gleich dabei. Also ernsthaft, regen Sie sich ab.«
    Er wollte sein Handy zurückhaben, doch ich hielt es fest. Talullas Stimme war durch das Gerät gekommen, ich spürte sie noch immer in der Hand.
    »Also wirklich jetzt, Jacob. Seien Sie kein Esel.«
    Ich gab ihm das Handy zurück. »Hören Sie«, sagte ich. »Ich werde erst etwas tun, wenn ich sie gesehen habe. Verstanden? Mit meinen eigenen Augen. Ich sehe sie direkt vor mir, oder Sie kriegen nicht mal den Dreck unter dem Fingernagel. Da gibt es nichts zu verhandeln.«
    Ellis stand auf. Er sah mich einen Augenblick lang neugierig an, drehte sich um und lehnte sich an die Verandabrüstung. Er sah über die roten Dächer und weißen Boote auf das schimmernde Blau der Ägäis hinaus. »Jake«, meinte er, »Sie sind verliebt, richtig?«
    Darauf gab ich ihm keine Antwort. Mir pochte der Kopf. Vom Dorf wehte der Geruch von rohem Fisch herauf. Ein Jet-Ski donnerte dumpf über die Bucht. Mir wurde klar, dass ich eine Dummheit begangen hatte.
    »Schon in Ordnung«, fuhr Ellis fort. »Cool. Ich bin fasziniert. Ich meine, Sie leben doch schon zweihundert Jahre. Ich dachte immer, irgendwann stirbt das Herz, oder? Das Ende der Liebe. Ich schätze, Jahrzehnte emotionaler … Wie heißt das auf Französisch?
Longueur
. He, manchmal überrasche ich mich selbst. Jahrzehnte an
longueur
, und plötzlich,
wumm
, die Liebe.«
    Seine Stimme hatte sich nur ein klein bisschen verändert. Ich blieb stumm. Sonne und Hitze wirkten wie eine Million Spinnenbisse.
    »Zwingen Sie mich nicht dazu, dass die ihr was antun«, sagte Ellis leise. »Mit Schwefelsäure oder so. Auf ihrem Bein oder so.«
    »Bitte«, sagte ich, doch Ellis hob die Hand.
    »Sie haben nicht genug Macht, um die Bedingungen zu diktieren, Jake«, erklärte er. »Ich verstehe ja den Impuls, aber Sie sind, nun ja, nicht auf der Höhe der Realität.«
    Am Bein oder sonstwo. Sonstwo ist anderswo, Gesicht oder Brüste oder zwischen den Beinen. Säure macht ein Geräusch, das nach Seufzen klingt, nach Erleichterung oder Ekstase. Es würde wieder heilen, doch es würde sehr weh tun, und sie konnten es immer wieder tun, doch diese Möglichkeit ist nun mal mit eingeschlossen, wenn man liebt, so wie Arabella es miteingeschlossen und gesagt hatte: Du bist das, das alles wäre nur lang erwartete ausgleichende Gerechtigkeit, aber doch nicht Talulla, nur mich, nicht sie, tut das einfach alles mir an.
    »Sie werden wieder mit ihr sprechen können«, fuhr Ellis fort. »Und wir können darüber reden, dass Sie sie –
vielleicht
– noch mal sehen, bevor Sie zum Einsatz kommen. Aber ernsthaft, Jake, reißen Sie sich zusammen. Der Ton, Mann. Völlig falsche Tonart.«
    Im Film schaut der Soldat auf den Boden zwischen seinen Füßen und sieht, dass er Millimeter neben einer Mine steht. Er schaut sich um. Überall Minen. Von da ab geht es bei jedem Schritt um Leben und Tod.
    »Okay«, räumte ich ein. »Sie haben recht. Da sind die Gefühle mit mir durchgegangen. Ich verstehe. Aber kann ich wohl einen Vorschlag machen, eine Bemerkung?«
    »Na klar. Nur zu.«
    »Sie haben das alles nicht nötig. Sie müssen sie nicht einsperren. Ich erkläre es Ihnen. Nein, lassen Sie mich eine Frage stellen: Warum haben Sie Harley umgebracht?«
    »Um Sie zu reizen«, antwortete Ellis. »Doch unter uns gesagt, ich schätze, wir wären besser damit gefahren, ihn am Leben zu lassen, bis Sie mitspielen.«
    »Genau. Harley wurde umgebracht, weil Sie wussten, dass ich einen Anreiz brauchte, um in den Kampf zu ziehen. Sie hatten recht. Vor einem Monat hatte ich einfach genug. Vor einem Monat
wollte
ich gar nicht mehr leben.« Ellis nickte langsam und lächelte leise. »Jetzt ist alles anders. Jetzt habe ich Talulla. Ich bringe Grainer so oder so um, voller Befriedigung und Erleichterung,

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