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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Augen des Vampirs, das Weiß braun eingefärbt, sein stinkender Fleischatem und das schmale, ruhige Gesicht, seine kalte linke Hand an meiner Kehle (ein Nagel hatte bereits Blut hervorgezaubert) und seine kalte Rechte, die die Haut auf meiner Brust durch die Kleidung hindurch krallte. Die Diskrepanz der Kräfte war überwältigend. So überwältigend, dass er nun, wo er mich im Griff hatte und wir durch die Luft flogen, tun und lassen konnte, was er wollte.
    Der Ekel war durchaus beiderseitig. Die Ruhe in seiner Miene war erzwungen.
Der Werwolf
, so schrieb mal ein Vampir,
riecht wie die platonische Form eines schmutzigen Tiers
. Ich fragte mich – als hätte ich die Zeit, mich zu fragen, während wir durch den Raum segelten –, ob Vampire sich jemals übergaben. Was käme dabei heraus? Sie tranken doch nur Blut. Harley hätte das gewusst (Der arme Harls. Er hatte
American Psycho
nicht sonderlich gemocht. Bösartige Satire oder schräger Scheiß, hatte er mich gefragt, als er es gelesen hatte. Beides, hatte ich geantwortet. Das ist eine falsche Dichotomie. Die romantischen Zeiten des Entweder/Oder sind vorüber. Wer wusste das besser als ich?).
    Wie ein Mann krachten wir gegen den Kamin und stürzten rechts neben das Feuer. Etwas knackte unter mir.
Meine Wirbelsäule
, dachte ich, da die Wirbel den ganzen Aufprall abfangen mussten – doch in dem Augenblick, den der Vampir brauchte, um mir mit vier Fingern übers Gesicht zu krallen (grelle Hitze, das Blut stieg mir im linken Auge auf, so als habe man einen roten Cocktail in die halbe Welt gegossen), wusste ich, dass es sich nicht um einen Knochen handelte und dass dies meine einzige Rettung war.
    Wir waren so gelandet, dass ich halb an der Wand lehnte und er auf meinen Oberschenkeln hockte. Auf seinem Gesicht entdeckte ich Sprenkel von dunklen Stellen oder Leberflecken (die mich voller Entsetzen an Lulas hellen Leib mit den geliebten Muttermalsternbildern erinnerten) und einen durchaus liebenswerten, leicht schimpansenhaft wirkenden Zug von Nase bis Oberlippe. Beim Type-Casting würde er als im Nirwana ansässiger Drogenboss oder philosophierender Hausmeister genommen werden. Er legte mir eine Hand auf das Gesicht, und ich wand mich, als wollte ich mich unter ihm befreien – in Wahrheit aber versuchte ich, den Gegenstand zu fassen zu kriegen, der unter meinem Rücken zerbrochen war.
    Ich war nicht schnell genug. Bevor ich meine Tat ausführen konnte – die erste und letzte und einzige, die mir noch blieb –, hatte er mit der anderen Hand mein Hemd zerrissen, sich mit einer schraubenden Bewegung ins Fleisch gebohrt und einen blutigen Klumpen Brustmuskel herausgerissen, zwar nicht gerade Shylocks Pfund, aber genug, um meinen Schrei (einen Augenblick dachte ich, meine arme Brustwarze wäre fort) an den komödiantischen Rand des Falsetts zu treiben.
    Dieser Schrei wirkte wohl zu meinen Gunsten, lenkte gerade so viel von seiner Konzentration ab, dass mein Gezappel unter ihm als sinnloses Abmühen durchging. So genau werde ich das nie herausfinden. Als ich endlich den oberen Teil von Harleys elfenbeinernem Gehstock richtig zu fassen bekam, den ich an die Wand gelehnt hatte, als ich mir den ersten Drink des Tages eingoss, und der unter mir zerbrochen war, riss ich ihn hinter dem Rücken hervor und stieß ihn mit einem wirren Gebet an den Gott, der nicht da war, mit aller Kraft ins Herz des Vampirs.
    Wie in all solchen Augenblicken legte sich aus Respekt vor der Größe des Ereignisses das prosaische Getöse der Dinge. Die Zeit blieb stehen, und der Raum um uns herum erstarrte. Einen Augenblick lang waren wir Objekte in einem Briefbeschwerer. Der Vampir sah mich mit einem Blick blanker Überraschung an – ein plötzlicher, pantomimischer Wandel des Ausdrucks, damit jedes Kind es verstehen konnte –, dann hob er seine Hände, um zu schauen, wie seine Adern sich schwärzten, so als würden sie sich eilig mit Tinte füllen. Was er nicht sehen konnte, war die Tatsache, dass sich auch an Hals und Gesicht die Adern als dunkler werdendes Netz abzeichneten, als magische Landkarte seines Sterbens. Er erstarrte, erst aus Ungläubigkeit, dann buchstäblich aus … nun ja, einsetzender Starre. Ich riss die Hüften hoch, kippte zur Seite, lud ihn ab. Er kippte ganz leicht, wie ein ausgestopftes Exemplar, auf die Seite, Knie im Neunzig-Grad-Winkel angezogen, Hände so, als wolle er einen unsichtbaren Basketball werfen. Er hatte die Augen geschlossen.
    Ich stand auf. Gesicht und

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