Der letzte Werwolf
tatsächlich zur Verfügung hatte, wenn ich den Schritt wagte. Die einzig greifbare Waffe war der Flammenwerfer, und ich wusste nicht genau, wie –
Ich hörte, wie der Kopf zu Boden fiel, und spürte eine Bewegung in der Luft.
Sie kommt
. Hoffnungslos, hoffnungslos, hoffnungslos, doch ich rollte und griff nach der Waffe, die an Russells Bein im Holster steckte – nicht schnell genug. Ihr Stiefelabsatz riss mir eine Kerbe an der Schläfe, als sie vorbeihuschte. Ich brach ein zweites Mal zusammen.
Und blieb so liegen.
Nicht nur, weil der Schlag, ein grobes, ohrenbetäubendes
Bok
, mich leicht betäubte, sondern weil ich in dieser Haltung mein Tasten nach dem Flammenwerfer verbergen konnte. Mia hatte nichts bemerkt. Sie wusste nicht, dass es dort eine Waffe gab. Jetzt brauchte ich von ihr nur noch das monologische Hinauszögern der Bond-Bösewichter. Doch nichts da. Sie war hier, um mich zu kidnappen, nicht zu töten.
»Aah«, machte ich nicht nur vorgespielt. Die Schramme am Kopf befand sich gerade im Übergang von ganz kalt zu ganz heiß. Die Wunde in meiner Brust war eine feurige Rose. Ich schlug die Augen auf und sah, wie sie sanft landete. Sie konnte fliegen. Verdammt. Ich schloss die Augen wieder. Zwang meine Fingerspitzen zur Eile.
Eigentlich nichts anderes als eine überdimensionale Wasserpistole
, hatte Harley gesagt, ohne zu wissen, wovon er sprach. Zwei Abzüge, einer für die Freigabe des Brennstoffs, der andere für die Zündung. Also brauchte ich beide Hände. Die Chancen hatten sich soeben drastisch verschlechtert.
»Phil?«, rief Mia.
Sie war über mich hinweggeflogen und an der Tür zur Bibliothek vorbeigekommen. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte sie den einsamen Bewohner. Sie hatte nichts davon gewusst.
Zwei Drittel aus dem Holster.
Mia stand breitbeinig, mit hässlicher Körperhaltung und ausdruckslosem Gesicht da und starrte den knusprig werdenden Leichnam am Kamin an. Der Regen an der Hauswand klang wie ein kontinuierlicher Seufzer.
Die Düse des Flammenwerfers hatte sich verhakt, keine Ahnung, worin. Leise sagte Talulla in meinem Kopf: Dir geht die Zeit aus.
Es hätte meinen Fingern geholfen, wenn ich die Augen zugemacht hätte, doch dann drehte sich Mia in der Tür um und sah mich an. »Du?«, fragte sie. Ich machte schon den Mund auf und wollte lügen, doch sie sagte nur: »Gib dir keine Mühe.« Im hellen Schein aus der Bibliothek wurden die Farben in ihrem Gesicht lebhafter: Rot, Blau, Weiß. Sie beugte sich in aller Ruhe vor – das eingeknickte Knie in der Strumpfhose verlieh ihr geradezu einen menschlichen Zug – und nahm den Pflock, der zu ihren Füßen lag.
»Du willst mich lebend, nicht vergessen«, bemerkte ich. Mia stand über mir. Ich sah zu ihr hoch. Das war die liebste Kameraposition des Unterwürfigen für seine Domina, ganz Stiefel und Oberschenkel, Hüfte, schmaler werdend bis hinauf zu dem weit entfernten, anbetungswürdig verächtlich blickenden Kopf, hoch wie eine Berggottheit. Ich holte Luft, wollte noch etwas sagen – da schoss sie mir einen Pflock ins linke Bein.
Schmerz, ja, wie ein Blitz, aber auch ein merkwürdig schuljungenhaftes Gefühl von Ungerechtigkeit. Sie hatte den Oberschenkelknochen gestreift, ihn aber nicht gebrochen, dafür hatte sie mehrere Muskeln durchbohrt. Sie hatte keine Hauptarterie getroffen, dafür aber den Ischiasnerv, der unter Schock bereits die Geigenmelodie aus der Duschszene in
Psycho
spielte, ein Gefühl, das mir bis in die Backenzähne zog.
Billiger Vandalismus, was die Dame betraf. Etwas, um mich beschäftigt zu halten, während Mia, die den Pflockwerfer die Treppe hinunterwarf und sich mit einem Gesichtsausdruck abwandte, der die Wirkung
meines
Geruchs auf
sie
verriet, ein Handy aus der Tasche nahm und wählte. »Ich bin’s«, sagte sie. »Ich habe ihn.« Pause. »Phil ist tot.«
Ich packte mit der Linken den Pflock, biss in Russells ledernen Ellbogenschutz und zog. Man wundert sich über den Reflex des Grimassenschneidens, der doch überhaupt nichts bringt. Jedenfalls hatte ich nach ein paar Popeye-Fratzen und Grunzern das verdammte Ding herausgezogen. Das Blut pulste nicht heraus, die Wunde gab nur ein matschendes Geräusch von sich. Der Ischias war zutiefst getroffen, konnte nichts anderes tun als zu schluchzen, um sich zu trösten. Ich lag stöhnend direkt auf der Leiche des Jägers – und machte mich wieder an die heimliche, wirre, wilde Arbeit an dem feststeckenden Flammenwerfer.
»Bringt den Van her«, befahl
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