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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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klappt nicht, auch wenn du – Dazu sind wir nicht –
    Wieder wurde mein Schwanz steif, als die Frau sich die Fransen aus dem Gesicht pustete – doch auch diesmal wurde er wieder weich. Ein Augenblick völliger innerer Ruhe, dann plötzlicher lauter Hunger, der andere Hunger, der wie eine Kesselpauke dröhnte. Ich verstand: Lust war ein irregeleiteter Reflex, eine Gewöhnungsphase, die schon bald vergangen sein würde. Die neue Gier ließ die alte verblassen. Nur wenn sie auch eine. Nur wenn sie auch. Vögeln Töten Fressen. Vögeln Töten Fressen. Darin lag eine rätselhafte Trinität, aber nur wenn … Aber nur wenn –
    Der andere schlug einen schnelleren Rhythmus an. Das Denken glitt und fiel wie schmelzender Schnee vom Dach. Die dünnen Arme der Frau waren von den Ellbogen an nackt. Der Kragen stand offen. Beim Schrubben zeichneten sich ihre Halssehnen ab. Weiße, zu vernachlässigende Mädchenbeine hoben sich zu beiden Seiten des brünstigen Bragg wie die Antennen eines verwirrten Insekts. Unglückliche blasse Zehen. Die flache Windung eines Bauchnabels. Ein stilles Mädchen. Menschen tragen ihre Geschichte mit sich wie einen Duft. Sie war nie sonderlich unter ihren acht Geschwistern aufgefallen, wurde nur dann undeutlich geliebt, wenn man sie wahrnahm, war ungeformt geblieben, bis Bragg ihre Chance für den einzigen Sprung in die Identität gekommen sah. Und noch immer hielt ihre Mitte nicht. Selbst die Mutterschaft hatte sie nicht gefestigt; die Geburt war durch sie hindurchgegangen wie ein Ackerbrand, ein willkürlicher Schmerz, der sie verletzt und zusammengekrümmt zurückließ. Stundenlang ließ sie sich dahintreiben durch die Tagträume anderer, wie es schien, obwohl sie wusch und putzte und nach dem Kind sah und für den Mann die Beine breit machte.
    Man bekommt nicht nur den Körper. Man bekommt das Leben.
Jemandem das Leben nehmen
. In sich selbst hinein. Die größte Sättigung. So ähnlich wie Liebe. Wirst schon sehen. Der Raum zwischen euch erfüllt sich mit unzähmbarem Potential. Ihre kleinen Brüste, so groß wie Äpfel, der dünnhäutige Hals mit der pochenden Ader waren bereits in meinen Händen, zwischen meinen Zähnen, fest und voll, reif für den Riss. Ich stand draußen. Ich wusste, wie es sein würde. Nichts außer meinem Bruder, der die Zügel in der Hand hielt, hielt mich zurück.
    Sie nicht
.
    Er ließ den Gedanken einfach so stehen, ohne ihn weiter auszuführen.
    Sie nicht.

13 .
    Er rannte. Ich rannte. Wir rannten. Plural und die beiden Singulare waren gerechtfertigt. Sie rangen miteinander, trennten sich, gingen ineinander über, genossen Augenblicke der Einheit. Außerhalb der Wälder färbte mich der Mond von Nase bis Rumpf ein, ein spürbares Lecken unendlich freizügiger Liebe, die von mir nur verlangte,
ganz ich selbst
zu sein. Welch großherzigeren Wunsch kann denn ein Liebender noch haben? Genau darum hatte ich Arabella gebeten. Darum hatte sie mich gebeten. Bis jetzt.
    Er rannte. Ich rannte. Wir rannten. Ab und an löste sich das Triumvirat auf und war weder er noch ich noch wir, sondern ein nicht denkender Bestandteil der Nacht, untrennbar mit dem Wind im Gras oder den Gerüchen in der Luft verbunden, ein Zustand – wie sich in Musik verlieren –, den man erst erkennt, wenn er vorbei ist.
    Herne House.
    Zu Hause.
    Aus neunzig Metern Entfernung roch ich die in den Ställen schwitzenden Pferde, die unruhig in ihren Boxen mit den Hufen scharrten, ein hübsches Geräusch, dieses Klappern und Kratzen von Eisen auf Stein. Ich sprang den Kiesweg entlang und ging über den gewalzten Vorderrasen. Vom Butler bis zum Teejungen gab es siebzehn menschliche Herzen im Haus. Das Mondlicht versilberte die Flügelfenster. Das Schlafzimmer der Hausherren lag im zweiten Stock. In diesen warmen Nächten schliefen wir bei offenem Fenster. Und da war es, offen. Das achtzehnte Herz.
    Es herrscht die Ansicht vor, dass man Grausamkeiten nur berichten sollte. Fakten, keine Gefühle. Gib uns die Daten und Zahlen, aber halt dich raus aus Hitlers Schädel. Alles schön und gut, wenn der Chronist sich außerhalb der Grausamkeiten befindet. Es funktioniert nur nicht, wenn der Chronist selbst die Grausamkeit
ist
.
    Sie schlief auf dem Bauch, das Gesicht mir zugewandt, ein nackter Arm und die Schulter lagen in derart hellem Mondlicht, dass ich nicht glauben konnte, dass sie davon nicht wach geworden war. Kurz nahm ich die malerische Üppigkeit der Szene wahr: ihre langen dunklen Locken vor dem

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